Kardinal muss vor Gericht

■ Neapels Kirchenführer Giordano soll an Wuchergeschäften beteiligt gewesen sein

Rom (ta*) – Erstmals in der neueren Geschichte soll einer der wichtigsten katholischen Kirchenführer vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft im süditalienischen Lagonegro will beweisen, dass Michele Kardinal Giordano aus Neapel gemeinsam mit einem seiner Brüder und rund 20 anderen Personen an einem millionenschweren Wuchererring beteiligt war.

Ein Teil der Geschäfte, bei denen für verliehenes Geld oft Wucherraten in Höhe von über 100 Hunderstel monatlich genommen wurden, soll dabei über die Kurie des neapolitanischen Kardinals abgewickelt und so vor den Ermittlern verborgen worden sein. Erst die Aussage von Geschäftsleuten, die sich in ihrer Not von den Wucherern Geld geliehen hatten, brachte die Ermittler auf die Spur des Kardinals. Wird Giordano schuldig gesprochen, drohen ihm acht Jahre Haft.

Die Anklage hat weitreichende Folgen. Lange hatte Giordano durchaus begründet auf einen Aufstieg in die päpstliche Kurie im Vatikan gehofft, ins Innerste der katholischen Macht. Das wurde ihm nun bereits abgeschlagen. Die päpstlichen Minister verteidigen ihren Amtsbruder ohne Elan. Die Vatikanoberen kritisieren die Hausdurchsuchungen beim Kardinal als „illegal, weil nicht nach den Vorschriften des Konkordats beim Heiligen Stuhl angekündigt“. Mehr bringen sie nicht hervor.

Giordano beteuert in allen Tönen, dass hier nur der Teufel im Spiel sein könne: „Da oben“, wobei er mit dem Finger gen Himmel deutet, „ist jemand, der weiß, dass ich unschuldig bin.“ Schließlich habe sich das Blut des Heiligen Januarius, das in einer Glasamphore in Neapel aufbewahrt ist, während seiner Amtsperiode am Todestag des Märtyrers immer wieder verflüssigt und damit Heil für Neapel angekündigt.

Das sehen viele Neapolitaner anders: Der von Blutverflüssigung ausgehende Segen könnte bedeuten, dass man endlich den umstrittenen Hirten los wird.

Werner Raith