Die Neoliberale Beschimpfenden

■ Wie die Ankläger die Vorwürfe und den Neoliberalismus erklären

Andrea Nahles (SPD

Was ist neoliberal für Sie?

Neoliberal ist eine Ideologie des radikalisierten Wirtschaftsliberalismus, deren zentrale Grundannahme sich als die genaue Verkehrung der Prinzipien der Französischen Revolution beschreiben lassen: Freiheit wird auf grenzenlose ökonomische Freiheit verkürzt. Gleichheit ist lediglich die Gleichheit vor dem Gesetz und die als ökonomisches Stimulans gewollte Ungleichheit der Startchancen, der materiellen Ausstattung und der sozialen Sicherheit der Menschen. Solidarität schließlich verbleibt nur noch den Zurückgebliebenen als „traditionalistische“ Handlungsmaxime.

Wer ist neoliberal?

Neoliberal ist natürlich niemand Bestimmtes (außer vielleicht einigen Zentral- oder Bundesbankern). Man scheut das Wort und sagt lieber „modern“, „leistungsorientiert“, „pragmatisch“ oder „unideologisch“ – der „flexible Mensch“ (Sennett) in Politik, Medien und Gesellschaft eben.

Ilka Schröder (Grüne)

Was ist neoliberal für Sie?

Demokratische und vernünftige Entscheidungsmechanismen werden zu Gunsten von Wettbewerb und Markt zurückgeschraubt. Eine Verbesserung der Lebenslage von Menschen ist für Neoliberale nicht Aufgabe des Staates. Als Hauptaufgabe des „Sparpaket-Staates“ soll vor allem die Garantie für ungehinderten Wettbewerb bestehen bleiben. Die politische Macht kapituliert vor der ökonomischen.

Wer ist neoliberal?

Zum Beispiel die „Neue Mitte“, dazu gehören auch bei den Grünen in letzter Zeit ziemlich viele. Viele, gerade Jüngere, sehen sich als neoliberal, und schämen sich nicht mal. Andere würden neoliberal von sich weisen, vertreten aber das neoliberale Konzept für die Ökosteuer: Umweltverschmutzung wird nicht demokratisch reguliert, sondern durch einen Markt, auf dem jeder je nach Höhe des Kontostandes die gemeinsame Umwelt verschmutzen darf.

Uwe Hiksch (Ex-SPD)

Was ist neoliberal für Sie?

Neoliberal umschreibt für mich die moderne Ideologie einer konservativen Wirtschafts- und Gesellschaftpolitik, die von einem blinden Glauben an die Fähigkeiten des Marktes ausgeht. Diese Theorie verbindet ein autoritäres Staatsverständnis mit der Vorstellung, dass sich der Staat ordnungspolitisch aus der Gestaltung ökonomischer Prozesse herauszuhalten habe. Die Neoliberalen sind der festen Überzeugung, dass sich die Wirtschaft nur dann zur vollen Blüte entfalten kann, wenn sich auch die „Marktkräfte“ frei entfalten können. Neoliberalismus vertritt ein Gesellschaftsbild, in welchem das politische Ziel der Vollbeschäftigung und sozialen Gerechtigkeit als staatliche Aufgabe keinen Platz mehr hat.

Wer ist neoliberal?

Die Thesen sind weit verbreitet. Durch den systematischen Abbau des Sozialstaates in der jüngsten Vergangenheit, wurde gleichzeitig der Glaube an eine sozialstaatliche Regulierung des Kapitalismus als einem emanzipatorischen Projekt untergraben. Dieser Prozess hat wesentlich zur Hegemonie neoliberalen Denkens auch in der breiten Bevölkerung beigetragen! Neoliberale stellen sich als „Modernsierer“ dar. In Wirklichkeit sitzen sie der verstaubten Wirtschaftstheorie der Neoklassik des letzten Jahrhunderts auf. Für sie sind die Internationalisierung von Kapital- und Finanzströmen nicht mehr gestaltbar. Das neoliberale Gesellschaftsbild akzeptiert Ungleichheit als innovationsfördernd.