Kommentar
: BerlinPur

■ Die Hauptstädter lassen den Strom im Dorf

Jetzt hat es sich gezeigt. Auf die Trägheit der Berliner zu bauen war ein schlauer Schachzug der Bewag. Nichts machen müssen, keinen Antrag ausfüllen, nichts unterschreiben, und damit auch noch halbwegs ökologischen Strom beziehen und Berliner Arbeitsplätze retten – diese Strategie ist aufgegangen. Über 90 Prozent der Berliner beziehen weiter Strom aus Berlin oder, wie es im Bewag-Neudeutsch heißt: BerlinKlassik.

Hinter diesen Zahlen verschwinden im Grunde die Ausreißer. Ob es nun 0,25 Prozent sind, die sich für den „grünen“ Strom der Bewag entschieden haben, oder die 4 Prozent, die selbst bei Atomstrom aus ihrer Steckdose kein schlechtes Gewissen bekommen, spielt im Grunde keine Rolle. Für den größten Teil der Bewag-Kunden, und darunter sind immerhin auch die 10 Prozent derer, die bei den vergangenen Wahlen grün gewählt haben, spielt die Stromfrage offenbar nicht die Rolle, die die Stromriesen der umworbenen Kundschaft seit Wochen weiszumachen versucht. Dieser Feststellung entspricht auch die Tatsache, dass die Bewag nicht nur an den nicht in Berlin produzierten Strom der Marke ÖkoPur und MultiConnect nur wenige Kunden verloren hat, sondern auch an auswärtige Anbieter. Und das, obwohl die Preise des ehemaligen Berliner Monopolisten noch immer zu den höchsten der ganzen Republik gehören.

Doch ganz so sehr Ökomuffel, wie es nun den Anschein hat, sind die Berliner auch wieder nicht. Die Nachfrage nach den Infotelefonen der Grünen zum Beispiel war groß, und auch die Angebote wurden von den Berliner Stromkunden mitunter gründlich studiert. Dass die Wahl der übergroßen Mehrheit schließlich auf BerlinKlassik fiel, hat deshalb auch andere Gründe als die sprichwörtliche Trägheit des provinziellen Berliners.

Auch die nach wie vor gegebene Unübersichtlichkeit auf dem Strommarkt lässt viele Kunde nach wie vor vor einem Wechsel zurückschrecken. Und haben wir nicht erst in den letzten Jahren lernen müssen, dass der Strom aus der Kraft-Wärme-Kopplung, den die Bewag anbietet, auch ökologisch ist und arbeitsmarktpolitisch korrekt obendrein? Uwe Rada

Seite 20