Potlatsch auf dem Papier

■ Teurer Flug, niedrige Steuer: Als Kunstvermittlerin balanciert „Die gute Frau“ zwischen Abenteuerurlaub und Dienstreise

Es begann mit „Au pair“ und setzte sich in der Funktion einer Saisonkellnerin fort. Aber erst nachdem die Autorin aus der taz rausgeflogen war, erinnerte sie sich wieder an das „antizyklische Grundprinzip: Arbeiten, wo andere Urlaub machen“. Keine Arbeit finden wir überall, wie ein Sozialhilfe empfangender Bekannter es ausdrückte.

„Einfachste Alltagsgewandtheit in der Ferne erworben, verwandelt sich daheim zur Weltgewandtheit. 'Streetwise‘ bedeutet, die Orientierung zu behalten, selbst wenn man sich verlaufen hat ... 'Glück ist‘, so ein Freund, 'wenn du dich überall zu Hause im Exil fühlst.‘ Displacement, wie es modisch heißt, wird zur Strategie der gezielten Entwurzelung. Inzwischen habe ich beim Autoquartettspielen gelernt, dass Displacement so etwas wie Hubraum meint ... Psychisches Kräftesparen gehört zur innersten Ökonomie des Nomaden. Es sind immer große Ferien. Man muss bereit sein draufzuzahlen. Und man muss es sich leisten können. Darin besteht der Unterschied zwischen dem Reisenden und dem Flüchtling.“

In Istanbul arbeitete die Autorin als Kunstkuratorin, in Johannesburg als Pressesprecherin der Kunst-Biennale: „In vier Monaten hatte ich mich vom Mädchen für alles hochgearbeitet. Im Prinzip vom Nützlichmachen zur Unentbehrlichkeit ... Alle erdenklichen Möglichkeiten, sich wichtig zu machen, stehen einem offen. Man kann Positionen besetzen und Ideen durchführen, die man daheim nicht im Traum erwägen würde. Dies zieht wiederum nach sich, dass man für die Heimat interessanter wird. Indem man gewisse Kenntnisse über Infrastruktur, Verkehrsmittel, Künstlerszenen akkumuliert, hat man sich schon als Experte qualifiziert. Daraus ergeben sich Folgeangebote, mit denen sich die vorgestreckten Investitionen und unbezahlten Hilfsarbeiten auf lange Hinsicht refinanzieren lassen.“

Ähnliches gilt auch für den emotionalen Teil dieses Austausch-Deals: „Erst wenn die subjektive Bindung ihre größte Dichte erreicht hat, verspricht eine unabhängigere Wahrheit durchzuscheinen“, heißt es in einem Buch über das ethnologische Erzählen der Welt. Was wissen die schon von der Obsession flüchtiger Wahlverwandtschaften?

Erst die gestapelten Kontoauszüge – zu Hause – geben Grund zur besinnlichen Einkehr. Kreditkartenabrechnungen lesen sich wie Überschriften in einem Tagebuch. Aus kryptischen Anmerkungen wie 'Happy Franzels Grab Restaurant 22,50‘ rekonstruiert sich ein windiger Abend in Lüderitz. Das war in Namibia ... Zurückkommen bedeutet, wieder mit den Bilanzen konfrontiert zu werden. Was bleibt unterm Strich?... Vor der Steuerbehörde wendet sich plötzlich jeder mit Ticket belegte Ausflug in die Ferne zu einer absetzbaren Geschäftsreise mit Pauschal- und Höchstbeträgen gemäß der 'Tabelle zu den Reisekosten und Reisekostenvergütungen bei Geschäftsreisen und Dienstreisen privater Arbeitnehmer ab 1992‘.

Unversehens stellt sich das Leben als eine heitere Folge von Reisekostenabrechnungen dar. Je teurer der Flug, je länger die Reise, desto günstiger. Im Nachhinein gilt es nur, die Ausschweifungen in Quittungen zu bannen, die Erinnerung in Summen zu sortieren, das Heimweh in Belegen abzuheften. Der Potlatsch schlägt sich auf Papieren nieder. Bestenfalls in Texten. Es gibt Dienstreisen, bei denen der Dienst im Schreiben über die Reise besteht.“ Sabine Vogel

Auf Dienstreisen“ erschien soeben im Neuköllner Karin-Kramer-Verlag in der von Thomas Kapielski herausgegebenen „Uschi-Reihe: Die gute Frau“