: Mit „Aida“ ins Abseits
Es wird eng für Niedersachsens Ministerpräsident. Ihm steht ein Untersuchungsausschuss ins Haus. Touristikunternehmen widerspricht Glogowskis Darstellung ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Die Feiern und Reisen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski werden von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages durchleuchtet. Dies kündigten die Fraktionschefs der Grünen und der CDU, Rebecca Harms und Christian Wulff, gestern in Hannover an. Dabei soll es, neben den Vorgängen um die Hochzeitsfeier und -reise des Ehepaares Glogowski, auch um den Braunschweiger Klüngel gehen, in dem der ehemalige Oberbürgermeister immer noch fest verwurzelt ist.
Harms forderte bereits gestern den SPD-Politiker zum Rücktritt auf, bemerkte aber, dass Glogowski dafür wahrscheinlich nicht die nötige Größe habe. Wulff wollte keine Vorverurteilungen vornehmen, bevor der Untersuchungsausschuss zu Ergebnissen gekommen ist. Glogowski, derzeit in Wien weilend, hat unterdessen seinen Rücktritt abgelehnt.
Über seinen Regierungssprecher Jürgen Koerth ließ Glogowski die Bestellung eines unabhängigen Sonderermittlers ankündigen, der alle Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten begutachten soll. Zwar habe Glogowski „ein reines Gewissen“ und keinerlei Vorteile von Unternehmen angenommen, so Koerth gestern in Hannover. Doch durch die öffentliche Diskussion drohe das Amt des Ministerpräsidenten dauerhaft Schaden zu nehmen. Die „unabhängige und integre Persönlichkeit“, die Glogowski erst nach Rücksprache mit den Landtagsfraktionen benennen will, soll alle notwendigen Vollmachten sowie Einblick in alle Unterlagen erhalten. Der Sonderermittler werde auch dann eingesetzt, wenn es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtag geben werde.
Fest steht bei der ganzen Affäre bisher nur, dass die Hochzeitsfeier der Glogowskis am 15. Mai in Braunschweig von mehreren Firmen gesponsert wurde. Bier, Softdrinks und Kaffee musste das frisch vermählte Paar nicht selbst bezahlen. Koerth bezeichnete das Freibier durch zwei Braunschweiger Brauereien gestern als „Werbeauftritt“, den der Ministerpräsident den Firmen ermöglicht habe. Für seine Hochzeitsreise kann Glogowski nach Angaben des Regierungssprechers Rechnungen der TUI und entsprechende Zahlungsbelege vorweisen.
Alle neuen Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten wies Koerth energisch zurück. Die Karten für einen Opernbesuch am vergangenem Samstag in Wien hat Glogowski nach Koerths Angaben selbst bezahlt. Zwar seien diese Karten für „Don Giovanni“ zum Preis von 424 Mark pro Stück zentral von der Salzgitter AG besorgt worden. Glogowski habe jedoch die sechs Opernkarten für sich, seine Frau und zwei befreundete Ehepaare aus eigener Tasche beglichen.
Eine Reise mit dem Vorstand der TUI-Mutter Preussag nach Kairo zu einer Aufführung der Oper „Aida“ Mitte Oktober, so Koerth, habe Glogowski auf Einladung des ägyptischen Ministers für Wirtschaft und Tourismus unternommen. Die Kosten für den Flug des Ministerpräsidenten und seiner Begleitung seien aus der Landeskasse bezahlt worden. Koerth zufolge lag es im wirtschaftlichen Interesse Niedersachsens, der offiziellen Einladung zu folgen und die „Aida“-Aufführung unter freiem Himmel zu besuchen. Schließlich habe in Hannover mit der TUI das weltgrößte Touristikunternehmen seinen Sitz.
Dieser Darstellung hat unterdessen die Preussag-Tochter Hapag Touristik Union (HTU) widersprochen. Für den Flug des Regierungschefs und seiner Ehefrau zur „Aida“-Aufführung sei bislang nicht geplant gewesen, dies Glogowski in Rechnung zu stellen. Allerdings sei genau das gestern auf Wunsch Glogowskis geschehen, so HTU-Sprecher Rainer Ortlepp.
Nicht kommentieren wollte der Regierungssprecher den Vorwurf, Glogowski habe persönlich für Schadensbegrenzung nach der Kritik an einem Abschiedsfest bei den Braunschweiger Stadtwerken gesorgt. Nach Presseberichten soll der Ministerpräsident, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke ist, einen Catering-Service dazu bewegt haben, eine bereits bezahlte Rechnung, welche vom Steuerzahlerbund moniert worden war, für ein kaltes Buffet im Nachhinein um 20.000 Mark zu kürzen.
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