Gedenken und Gewissen

Am 7. Jahrestag des Brandanschlages von Mölln wurde das Haus, in dem drei Türkinnen starben, nach einem der Opfer benannt  ■ Von Elke Spanner

Die türkische Fahne hängt großflächig aus dem ersten Stock. DieGedenktafel darunter ist noch notdürftig mit einem weißen Tuch verhängt. Fast 300 Menschen ziehen in einem Schweigemarsch zu dem Haus in der Möllner Mühlenstraße, in dem gestern vor sieben Jahren Rechtsradikale drei Türkinnen töteten.

Die beiden Skinheads Lars Christiansen und Michael Peters warfen damals einen Brandsatz in das Haus. Bahide Arslan und die Mädchen Yeliz Arslan und Ayse Yilmaz starben in den Flammen. Seit ges-tern trägt das Haus den Namen Bahide Arslan.

Am Abend wird die Gedenktafel enthüllt. „Am 23. November 1992 starben Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayse Yilmaz bei einem Brandanschlag in diesem Haus“, steht dort geschrieben. Dass es ein Brandanschlag von deutschen Neonazis war, steht dort nicht.

Es kommt auch in den Gedenkreden kaum zur Sprache. Bürgervorsteher Matthias Heidelberg ist den übrigen 47 BewohnerInnen des Hauses dankbar, dass sie in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt geblieben seien und gezeigt hätten, „dass es die Tat von zwei Verblendeten war, die nicht aus Mölln gekommen sind“. Nur der türkische Botschafter Tugay Ulucerik, aus Berlin angereist, spricht von „rassistischer Grausamkeit“. Bei dem vorausgegangenen ökumenische Gedenkgottesdienst in der Möllner Nikolaikirche hatte der Pastor eine Schweigeminute nicht nur für die Opfer, sondern auch für die beiden Täter einlegen lassen.

Die sitzen im Gefängnis. Rund ein Jahr nach dem Brandanschlag wurden Christiansen und Peters zu 10 Jahren Jugendhaft beziehungsweise lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Damit jedoch, so Oberstaatsanwalt Klaus-Ernst Pflieger seinerzeit bei seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Schleswig, könne die Tat allein juristisch, nicht jedoch politisch aufgearbeitet werden: „Ein Prozeß darf nicht zum Werkzeug der politischen Auseinandersetzung verkommen.“

Mit der jedoch tat man sich bis heute schwer – nicht nur in Mölln. Auf der einen Seite gingen damals in Deutschland Hunderttausende mit Lichterketten auf die Straße, um sich persönlich von Fremdenfeindlichkeit zu distanzieren. Andererseits wurden beispielsweise Angehörige der Arslans sowie FreundInnen auf dem Hamburger Flughafen mit einem rüden Polizeieinsatz konfrontiert, als sie sich vier Tage später, am 27. November, an den Särgen von den Toten verabschieden wollten, ehe diese zur Bestattung in die Türkei geflogen wurden.

„Seit der Welle der Brandanschläge sind keinerlei Schritte gegangen worden, um solchen Geschehnissen konkret entgegenzuwirken“, warf der Vorsitzende der türkischen Studentenvereinigung in Hamburg, Güney Aydogdu, den politisch Verantwortlichen bei einer Mahnwache zum 5. Jahrestag 1997 vor. Auch in Mölln war es nie die Stadt, sondern stets der Verein „Miteinander leben“, der Gedenkveranstaltungen ausrichtete.

Wegen der Zurückhaltung der Stadt hatte Faruk Arslan, der Sohn von Bahide Arslan, das Angebot der Stadt, eine Gedenktafel für seine Mutter am Haus anzubringen, zunächst abgelehnt. Zuvor nämlich hatte die Stadt sich geweigert, einen Weg hinter dem Brandhaus in „Bahide-Arslan-Weg“ umzubenennen. Er wolle den PolitikerInnen keine Gelegenheit mehr bieten, so Arslan noch 1995, „ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen“.