Ficken auf der documenta    ■ Von Bernhard Becker

Aus gegebenem Anlass bat mich meine Frau neulich um eine kleine pornographische Geschichte. Da ich es hasse, auf die Schnelle improvisieren zu müssen, baute ich zuerst jene kleine Sequenz am Ende von „Clockwork Orange“ etwas aus, wo der nun wieder komplette Alex von einer öffentlichen Paarung träumt, umringt von irgendwelchen Lappen, die im Kreis versammelt kräftig den Takt dazu klatschen. Die Unterlage aus Schnee, auf der sie es trieben, schien mir jedoch ein allzu cooles und eher filmisches Stilmittel, sodass ich die Handlung kurzerhand in ein Restaurant verlegte.

Wir liegen also auf dem guten Teppich eines Fresstempels und machen die Nacht zum Tagewerk. Die Gäste tun, was sie immer tun: warten & essen, sehen & ignorieren, während die Kellner, jede Art von Kummer gewohnt, mit ihren Tabletts in der Hand kunstvolle Kurven um uns beschreiben.

Die kleine Fantasie erfüllte ihren Zweck zu allseitiger Zufriedenheit; nur am nächsten Morgen beim gemeinsamen Frühstück ging mir als gutem Ex-Katholiken auf, dass man nicht gut zwei Sakramente miteinander in Konflikt bringen sollte: Immerhin gibt es in Restaurants Leute, die tatsächlich essen wollen, und zwar ungestört. Der Ort müsste also noch sakraler sein und die verteilten Oblaten gänzlich aus Pappe. Ohne jemals dort gewesen zu sein, entschied ich mich, dass die documenta in Kassel ein geeigneteres Ambiente wäre. Dort würden wir ein Happening durchführen, wie es freilich jeder auch zu Hause haben könnte oder eben gerade nicht: Wie Freund Kurt einmal richtig sagte, sollte man, wenn man Weiber abschleppen möchte, keinesfalls eine Fete oder Kneipe heimsuchen, sondern eine Matinee, wo scharenweise unerlöstes Fleisch sich der Kunst hinzugeben trachtet.

So sehe ich uns folglich im Museum, meine Frau liegt vor mir wie von Corbet gemalt auf der Matte (Futon o. ä.) und ich mich – immer meinem Schwanz nach – auf sie zu bewegend, der mir an diesem Ort arg exponiert erscheint und vorangeht wie ein Liktorenbündel. Das Publikum murmelt andächtig etwas von Faschismusverdacht, macht das Ganze aber vorsichtshalber nur am 4/4-Takt von „Laibach“ fest, der aus den Lautsprechern klöpfelt: „Läh-ben heißt Leben“. Eigentlich ist die Musik nur da, weil keiner mitklatscht, und Blut&Boden wird auch nicht geboten, da das erste öffentliche Beilager der Vergangenheit angehört, in der Kultur überhaupt und für uns beide sowieso.

Wir sitzen also beim Frühstück und stellen uns das vor; eigentlich keine große Kunst oder vielleicht leider doch in Zeiten wie diesen. Wir hatten unsere Performance, und das Brot am Morgen danach ist noch aus richtigem Sauerteig, dick belegt mit Schmand und Pflaumenmus und macht ebenfalls schön satt. Doch die Evolution hat uns unwiderruflich den Weg in die Büsche gewiesen bzw. ins eheliche Separee. Und ich beklage mich auch nicht, weil ich weiß, dass wir beide noch Glück gehabt haben. Eines Tages wird es vielleicht wirklich für viele so sein, dass sie Sex nur noch im Museum bewundern können, als virtuelle Realität in vollendeter Fiktion. Dann werde ich es allerdings so halten wie die Stuttgarter in ihrem Zoo, wo du und ich, verlegen lächelnd in einer lonely crowd, den Bonobos zuwinken.