Kuwaits Frauen dürfen noch nicht wählen

Emir al-Sabah hatte das Frauenwahlrecht dekretiert, aber das Parlament will die umstrittene Frage selbst entscheiden. In den anderen Monarchien am Golf wäre schon die Debatte undenkbar  ■   Von Karim El-Gawhary

Kairo (taz) – Der Hälfte der kuwaitischen Bevölkerung bleiben weiterhin die grundlegenden politischen Rechte verwehrt. Am Dienstagabend beschloss das Parlament des Ölemirates, dass Frauen in Kuwait auch weiterhin weder wählen noch politische Ämter ausüben dürfen.

Die ausschließlich männlichen Volksvertreter lehnten das Wahlrecht für Frauen mit einer klaren Mehrheit von 41 zu 21 Stimmen ab. Damit stellten sie sich gegen ein Dekret des Emirs Scheich Jaber Al-Ahmad Al-Sabah, der im März dieses Jahres das Frauenwahlrecht von oben her verfügt hatte. Nach der kuwaitischen Verfassung darf der Emir, wenn das Parlament nicht zusammentritt, in dringenden Fällen Gesetze erlassen, die später jedoch von den Volksvertretern abgelehnt werden können. Als das Parlament vor den Neuwahlen im Juni dieses Jahres wegen Korruptionsskandalen aufgelöst worden war, nutzte der Emir die Gelegenheit, das Frauenwahlrecht einzuführen, über das in Kuwait seit Jahren gestritten wird.

Die Opposition gegen das Dekret hat verschiedene Motive. Islamistische Abgeordnete und Stammesvertreter im Parlament haben das Frauenwahlrecht während der Debatte als unislamisch und den Traditionen des Scheichtums widersprechend abgelehnt. „Gott hat im heiligen Koran gesagt, dass Männer besser als Frauen sind, warum können wir uns nicht damit zufrieden geben“, fragte Ahmad Al-Baqer während der Debatte.

Für den konservativen sunnitischen Abgeordneten ist die Frauenemanzipation „Sünde“.

Die liberalen Abgeordneten dagegen lehnten das Dekret des Herrschers aus verfassungspolitischen Gründen ab: Der Emir solle keine Gesetze erlassen, weil damit die Autorität des Parlaments untergraben werde. In der gleichen Parlamentssitzung wurden fünf weitere Dekrete des Emirs abgeschmettert. Die kuwaitischen Frauen hatten das Pech, dass ihre Rechte im ständigen Kampf zwischen Emir und Parlament zwischen die Fronten gerieten. Nun wollen die liberalen Abgeordneten einen eigenen Gesetzentwurf zur Einführung des Frauenwahlrechts vorlegen, der gute Chancen haben dürfte, eine Mehrheit zu finden. Wann das sein wird, ist allerdings noch unklar. Die islamistische Fraktion versucht, die Debatte möglichst lange aufzuschieben mit dem Argument, dass die Frage derzeit keine Priorität habe. Die nächsten Parlamentswahlen sind für 2003 angesetzt. Die ganze Angelegenheit erfordere keine Eile, erklärte der islamistische Abgeordnete Walid Al-Tabtaba'i.

Der liberale Abgeordnete Abdalah Nibari dagegen versuchte, sofort zum letzten parlamentarischen Gefecht in Sachen Frauenwahlrecht zu blasen. Bei dem Dekret von oben habe es eine Vermischung zwischen Verfassungsfragen und der Einführung des Frauenwahlrechts gegeben. „Nachdem das Dekret nun abgelehnt ist, beginnt jetzt die wirkliche Schlacht um die politischen Rechte der Frauen in Kuwait“, erklärte der Abgeordnete.

Es wäre auch von regionaler Bedeutung, wenn das Frauenwahlrecht in Kuwait tatsächlich eingeführt würde. Der große Nachbarstadt Saudiarabien blickt schon lange mit Misstrauen auf das kuwaitische Parlament, die einzige gewählte Volksvertretung in den Golfstaaten. Wahlrecht für die Kuwaiterinnen wäre ein Affront gegen den allmächtigen Nachbarn. In Saudiarabien ist es Frauen noch nicht einmal erlaubt, am Steuer eines Autos zu sitzen.

Bekämen die kuwaitischen Frauen ihre politischen Rechte, hätten alle Scheichs, Könige und Emire am Golf Grund zur Besorgnis. Schließlich könnten in ihrem Herrschaftsbereich nicht nur die Frauen auf die Idee kommen, solche Rechte einzuklagen.

Auch ihre männlichen Landsleute könnten sich Gedanken darüber machen, warum es in den meisten Golfstaaten überhaupt nichts zu wählen gibt.