■ In Fällen wie Holz- und Mannesmann muss der Staat eingreifen
: Den Monopolkapitalismus bändigen

Die rot-grüne Bundesregierung trat mit dem Ziel an, Politik aus dem Schlepptau der konzentrierten Unternehmenswirtschaft zu befreien. Aber statt die Vorherrschaft der Politik zurückzugewinnen, muss derzeit der Bundeskanzler Katastrophen verhindern, die Unternehmen verursacht haben. Dies bestätigt die alte linke These: Gewinne werden privatisiert, Verluste im Krisenfall sozialisiert. Aber: Nicht die Politik, auch nicht die Gewerkschaften verursachen derartige Krisen, sondern die Unternehmensgiganten. Letztlich sind sie die Folge des weltweit gepredigten Neoliberalismus nach dem Motto: Was unter dem Diktat der Profitmaximierung passiert, ist immer gut. Politik, die glaubt, regulieren zu wollen, stört die segensreichen Kräfte der Märkte.

Doch es war das Versagen der ökonomischen Potentaten, das Holzmann an den Rand seiner Existenz geführt hat. Um die brutalen Folgen für die Beschäftigten abzuwehren, musste die Politik eingreifen. Dafür verdient Gerhard Schröder ein dickes Kompliment. Denn die Kosten der Krise wären sonst verstaatlicht worden. Gemessen an der gesamten Kreditzusage von 250 Mio. DM hätten die Arbeitslosen nach dem Zusammenbruch viel mehr gekostet. All die Kritiken nach dem Muster, hier greife Politik in die Wirtschaft ein, sind abenteuerlich. Denn die Wirtschaft hat diese katastrophalen Folgen produziert. Auch das Lamento, nur den Großen würde geholfen, ist scheinheilig. Zum einen werden durch die Sanierung viele Arbeitsplätze im zuliefernden Mittelstand gerettet. Zum anderen versagen die Chefideologen der freien Marktwirtschaft in den Wirtschaftsverbänden, wenn es darum geht, die Unternehmenskonzentration zugunsten des Mittelstands zu bändigen. Auch der Hinweis auf das Verbot staatlicher Subventionen in der EU zieht nicht. Schließlich handelt es sich um einen extremen Notfall, für den eine zeitlich befristete Hilfe gerechtfertigt ist. Schröder hat, im Widerspruch zu vielen Landesfürsten, seinen Sanierungsbeitrag mit der EU abgestimmt. Bitter wird für die Beschäftigten noch ihr Lohnverzicht, den sie angeboten haben, obwohl sie offenbar keine Schuld an der Krise trifft.

Worauf es aber nach diesem Sanierungsbeistand ankommt, ist, die Ursachen solcher Fehlentwicklungen zu ersticken. Die Macht der Banken muss – wie es seit Jahren übrigens Graf Lambsdorff für die FDP zu Recht fordert – beschränkt werden. Banken als Kapitaleigner dürfen nicht unbeschränkt auch Kredite an das gleiche Unternehmen vergeben. Die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsräte müssen verbessert und die Haftungspflicht spürbar werden. Sinnvoll wäre es zudem, die Möglichkeiten der betrieblichen Interessenvertretung auszubauen. Schließlich sind die Kontrolleure – die Wirtschaftsprüfgesellschaften – zu kontrollieren. Ein erster Schritt wäre, dass eine Prüfgesellschaft den Auftrag nur für maximal fünf Jahre erhält und dann eine neue Beratungsfirma einzusetzen ist.

Die Politik muss den Rahmen so neu ordnen, dass derart komplexes Missmanagement nicht mehr möglich wird. Das heißt aber nicht Deregulierung, sondern: gesetzliche Maßnahmen zur Beschränkung der Bankenmacht, stärkere Kontrolle der Entscheidenden und Sicherung echten Wettbewerbs. Die Notwendigkeit politischer Regulierung ist jedoch auch eine internationale Aufgabe. Dies zeigt der Versuch des britischen Anbieter Vodafone/Airtouch, den Mobilfunkbereich von Mannesmann zu vereinnahmen – und zwar gegen den Willen der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats und mittlerweile wohl auch wichtiger Großaktionäre. In der EU muss ein Übernahmerecht kodifiziert werden. Diese Kontrolle gilt dann auch für das Unternehmen Mannesmann, das ja in Großbritannien die Mobilfunkfirma Orange auch nicht gerade freundlich übernommen hat. Auch wenn es fast unmöglich scheint, müsste man endlich auch zu weltweiten Regelungen kommen. So zeigt das Antitrustverfahren gegen die Marktbeherrschung von Microsoft in den USA die Notwendigkeit einer weltweiten Wettbewerbsordnung. Auf die Internationalisierung der Wirtschaft muss durch weltweite politische Regulierungen geantwortet werden. Oskar Lafontaine lässt in diesem Punkt nicht nur Gehard Schröder grüßen. Rudolf Hickel

Professor für Finanzwissenschaft, Universität Bremen