Französisches Vorspiel mit Hackfleisch

■ Bauern, Linke, First Ladies – gemeinsam gehen sie in Frankreich auf die Straße. Sie fordern: Schlagt McDonald's kaputt! Deutsche – solidarisieren, mitmarschieren!

Paris (taz) – Drei Tage vor dem Beginn der Welthandelsrunde in Seattle war gestern das sozial bewegte Frankreich auf den Beinen. An 60 Orten riefen rund 90 Organisationen und Einzelkämpfer – vom Kleinbauern bis zum Agro-Industriellen, von der Arbeitslosenbewegten bis zur Ex-First-Lady und vom Anarcho der CNT bis zum Boss der größten französischen Gewerkschaftszentrale CGT – zu Demonstrationen auf. Motto: „Die Welt ist keine Ware“.

Seit im Hochsommer eine Gruppe von Biobauern im südwestfranzösischen Larzac eine McDonald's-Baustelle zertrümmerten, hat die Bewegung für einen gerechten Welthandel in Frankreich weite Kreise gezogen. Inzwischen ist der damals inhaftierte Chef der Schafmilchbauern des Larzac, José Bové, zu einem nationalen Sympathieträger avanciert. Wochenlang tourte er durch das Land, diskutierte mit Filmemachern, Gewerkschaftern und Regierungsmitgliedern und redete in Sälen, die regelmäßig überfüllt waren. Seit mehreren Tagen vertritt er seine Sache jetzt in den USA, wo er auch am Gegengipfel von Seattle teilnehmen wird.

Doch nicht nur die Klein- wie Großbauern wissen sich in Frankreich von dem vor allem von den USA, Argentinien und Neuseeland favorisierten Abbau sämtlicher „Handels- und Investitions-hemmnisse“ bedroht.

Auch hunderttausende anderer Franzosen sind in den vergangenen Jahren zu Experten in Fragen von Gatt und Welthandelsorganisation WTO geworden. Seit dem erfolgreichen Widerstand gegen das Multilaterale Investitionsabkommen MAI ist landesweit ein Bewusstsein für das Ziel solcher Vorhaben entstanden: Sozial- und Umweltstandards und die Möglichkeiten staatlicher Intervention zu Gunsten einzelner Wirtschaftszweige zu verhindern.

Die Tatsache, dass im Nachbarland Deutschland nur wenige Insider über das Thema diskutieren, stößt in Frankreich auf Unverständnis. Die Filmemacher, die sich Mitte dieser Woche auf Korsika trafen, könnten freilich der Anfang für eine Internationalisierung der französischen Bewegung sein. Auch deutsche Regisseure unterzeichneten dort einen gemeinsamen Appell zum Schutz des Autorenrechtes und der kulturellen Ausnahmen. Die nun nötigen ressortübergreifenden Schritte beschreibt Henri Roger, ein Sprecher der französischen Filmregisseure: „Wir Regisseure schlagen ein McDonald's-Lokal klein und die Bauern ein Multiplex-Kino.“

Den selbst für sozial bewegte Franzosen überraschendsten Zulauf im Rahmen der frankreichweiten Welthandelsdebatte hat die Gruppe „Attac“. Die bei ihrem im Oktober gefeierten einjährigen Bestehen bereits über 10.000 Mitglieder zählende Organisation will die internationalen Spekulationsgewinne besteuern. Sie hat dafür gesorgt, die nach dem Wirtschaftswissenschaftler Tobin benannte Spekulationssteuer in Frankreich populär zu machen.

Die tausenden von Einzelinitiativen in Frankreich haben inzwischen den Dachverband für die Bürgerkontrolle der Welthandelsorganisation (CCCOMC) gegründet, der auch den Aufruf zu den heutigen Demonstrationen verfasst hat. Die CCCOMC ist gegen ein Welthandelssystem, das die Sozialversorgung und den Umweltschutz ignoriert und die Wirtschaft dereguliert. Stattdessen will sie „die Märkte kontrollieren“ und verlangt „das Recht der Völker, sich selbst zu ernähren“.

Vincent Espagne, Mitarbeiter des Pariser „Observatoire de la Mondialisation“, eine Art Think-Tank der Bewegung, verlangt ein Moratorium des in Seattle geplanten Abkommens von drei bis fünf Jahren.

In der Zwischenzeit soll weltweit eine Bilanz der Schäden gezogen werden, die Gatt und WTO angerichtet haben. Parallel soll ein Nord-Süd-Forum Regeln für einen gerechten und solidarischen Welthandel aufstellen. Espagne: „Universelle Menschenrechtserklärung, das Arbeitsrecht und der Umweltschutz müssen Vorrang vor dem Recht auf Handel und Investition haben.“ Dorothea Hahn