Ein systemtreuer Bürger sieht so aus wie ich“

■ Gerhard Glogowski hat lange für seinen Aufstieg gebraucht und ist jetzt schnell gefallen

Vor wenigen Wochen war die Welt noch rosarot. „Das Regieren macht mir außerordentlich Spaß“, resümierte Gerhard Glogowski das erste Jahr seiner Amtszeit. Und wohlig fühlte er hinzu: „Ich habe mich selten so gut gefühlt wie jetzt.“ Die schönen Tage in Hannover sind vorbei.

Nur 13 Monate konnte Gerhard Glogowski, 56, in Niedersachsen regieren. Kaum, dass er aus dem Schatten von Gerhard Schröder hervorgetreten war, musste er schon wieder abtreten. Die politischen Weggefährten galten nicht immer als Freunde. Vor zehn Jahren widersetzte er sich dem damaligen Ministerpräsidenten Schröder im Streit um den Schacht Konrad. Glogoswskis politischer Instinkt sagte: Sollen doch überall Endlager hin, nur nicht in meinen Sprengel. Das trug ihm Beifall und den Vorsitz der SPD im Bezirk Braunschweig ein. Schröder konnte ihn nicht mehr übergehen. Er kürte ihn zum Stellvertreter. Nach seiner Wahl als Bundeskanzler bestieg Glogowski den Chefssessel.

Glogowski ist ein Machtmensch. Misstrauisch seinesgleichen gegenüber, neigt er nicht dazu, politisch eigenständige Charaktere anzuziehen. Ergebene Mitarbeiter sind ihm lieber. Im Übrigen wird er aber als umgänglicher, sympathischer Mensch beschrieben. Einer, der ein betont konservatives Image pflegt.

Sein Lebenslauf ist eng mit der SPD verwoben. Glogowski wuchs unter Parteigrößen auf. Sein Vater chauffierte Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer. Als seine Alterskollegen ihr politisches Profil in der 68er-Bewegung schärften, büffelte der gelernte Werkzeugmacher an der Abendschule für sein Abitur. An der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik studierte er. Später, mit 33, wurde er der jüngste ehrenamtliche Bürgermeister seiner Heimatstadt Braunschweig.

In der Rolle des geliebt-gehassten Medienstars konnte er allerdings nie glänzen. Aber er überstand lange Zeit allen politischen Ärger, etwa nach dem unglücklichen Agieren seiner Polizei bei den „Chaos-Tagen“ 1995. „Glogo“, wie seine Freunde ihn nennen, konnte immer mit der Rückendeckung seiner Partei rechnen. 1997 veschärfte er das Polizeigesetz, das unter Rot-Grün erst kurz zuvor liberalisiert worden war. In jenem Jahr ließ er auch anlässlich erneuter „Chaos-Tage“ ganze Stadtteile in Hannover für Punks sperren. Punks seien nicht systemtreu, sagte er. Auf die Frage, wie denn ein „systemtreuer Bürger“ aussehe, sagte er lapidar: „Ein systemtreuer Bürger sieht so aus wie ich.“

Glogowski liebt die Berge. Mit seiner ersten Frau hat er drei Kinder. Seine zweite Frau Marianne heiratete er im März. Vielleicht wird er dorthin zurückgehen, wo für ihn der Nabel der Welt ist: nach Braunschweig. Lachs-Kanapees und Champagnerkraut wird Gerhard Glogowski dort auch morgen noch in Hülle und Fülle finden. Annette Rogalla