Terror gegen Helfer des Jüdischen Friedhofs

■  Das Lager eines Steinmetzen, der die beschädigen Grabstelen auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee instand setzte, ist von Unbekannten weitgehend zerstört worden. Der Schaden beträgt 80.000 Mark. Der Steinmetz hatte mehrfach anonyme Drohanrufe erhalten

Ein Steinmetz, der nach der Schändung des Jüdischen Friedhofes in Berlin-Weißensee beim Wiederaufrichten der Grabsteine unentgeltlich geholfen hat, ist selbst Opfer eines Anschlags geworden.

Wie erst gestern bekannt wurde, ist das Lager des Steinmetzen bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag vor einer Woche von unbekannten Tätern verwüstet worden. Die Täter sind über den Zaun des Geländes geklettert und haben rund 150 Steine zerstört beziehungsweise beschädigt.

Die Polizei war durch den Anruf eines Zeugen informiert worden. Als sie eintraf, gab es von den Tätern keine Spur mehr. Der Schaden beläuft sich auf etwa 80.000 Mark. Der Geschädigte hat Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Der Staatsschutz ermittelt. Bei der Polizei war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Anfang Oktober hatten unbekannte Täter auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee – dem größten in Europa – 103 Grabsteine umgeworfen und zum Teil zerstört. Der Friedhof war in der Vergangenheit schon mehrfach geschändet worden. Am gleichen Wochenende war auch das Denkmal für die deportierten Juden an der Putlitzbrücke in Tiergarten und das Bertolt-Brecht-Denkmal am Schiffbauerdamm mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmiert worden. Der Staatsschutz hat bis heute keine konkrete Spur.

Als Reaktion auf diese Schändungen haben sich der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, und Innensenator Eckart Werthebach (CDU) für den Schutz des Jüdischen Friedhofs durch Lichtschranken ausgesprochen.

Nach dem Anschlag auf den Friedhof hatten sich mehrere Steinmetzen bereit erklärt, zum Teil unentgeltlich die Grabstelen zu reparieren. Der jetzt Geschädigte hatte sich in der Vergangenheit schon öfter an ähnlichen Aktionen, auch auf nichtjüdischen Friedhöfen, beteiligt. Diesmal war er aber erstmals mit Namen und Foto in diversen Zeitungen erwähnt worden. Der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, hatte schon vor dem Überfall auf sein Lager telefonische Drohungen erhalten – wegen seines Engagements auf dem Jüdischen Friedhof. Viermal drohten ihm Unbekannte, ihn zu erschießen oder zu erschlagen, wenn er nochmals Steine aufstelle, berichtet der Steinmetz. „Die Leute, die das getan haben, wussten genau, wen sie meinen“, sagte er gestern der taz. Nach Angaben der Berufs-Innung hat es noch nie einen vergleichbaren Angriff gegeben.

Der Steinmetz befürchtet nun, für den Schaden selbst aufkommen zu müssen. Denn er hat wie viele in seiner Branche keine Versicherung für seine Lagerbestände – die Versicherungssummen sind hoch, und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenfalles ist relativ gering. „Auch wenn die Anteilnahme groß ist, muss ich das alleine verkraften“, sagt er. Nach seinen Angaben lohnt es sich nicht, beschädigte Steine zu reparieren. Die Instandsetzungkosten lägen weit über dem Einkaufspreis.

Annetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung beklagte gegenüber der taz, dass der Steinmetz bisher kaum Unterstützung erhalten habe. „Wir planen eine Spendenkampagne.“

Der Steinmetz indes lässt sich nicht einschüchtern. „Ich habe in Weißensee nicht zum ersten Mal geholfen und werde das weiter machen.“

R. Rother, B. Bollwahn