: Asshole from El Paso
Country-Porn und andere (Un-)Korrektheiten: Kinky Friedman in der Fabrik ■ Von Georg Felix Harsch
Arschloch-Schnurrbart, kubanische Zigarre und der Stetson mit dem Davidstern, das sind die Insig-nien, die den Wiedererkennungseffekt bei Kinky Friedmans Selbstinszenierung garantieren. In dieser Kombination demonstrieren die Äußerlichkeiten, dass Richard „sexuell merkwürdig“ Friedman nicht wie die anderen ist. Er ist der erste Country-Outlaw, der nach dem Ende seiner Karriere als Musiker eine zweite, noch erfolgreichere, als Krimischreiber begonnen hat. Und natürlich ist er „the first full-blooded Jew to ever play the Grand Ole Opry“.
In den frühen Siebzigern, Jahre bevor es so etwas wie eine Austin-Szene gab und als die Idee vom Outlaw in der Country-Music noch etwas frischer roch, schrieb Friedman einen ganzen Haufen Songs und spielte sie mit seinen Texas Jewboys auf insgesamt vier Platten ein. Musikalisch wäre das wahrscheinlich niemandem aufgefallen, denn von eher durchschnittlichem Country-Rock gab und gibt es genug. Im Country zählen vor allem die Geschichten, die uns der Mann mit der Gitarre erzählt. Und die unterstrichen wieder, dass Kinky nicht so war wie die anderen.
Ein letzter Rest Aufruhr lag damals noch in der Luft, gerade in der Unistadt Austin. Aber anstatt gegen Rassismus, den Vietnamkrieg oder die Ausbeutung mexikanischer Migranten klagend anzusingen, machte sich Friedman darüber lustig. Das geschickte Umdrehen von Klischees und die Kontextverpflanzung vielgebrauchter Country-Phrasen waren seine Spezialitäten, die auch in seinen traurigen Songs eindrucksvoll zum Einsatz kamen.
Legendär wurde vor allem „They ain't making Jews like Jesus any-more“, in dem der Ich-Erzähler einen antisemitischen Redneck, der ihn beleidigt, zu Brei schlägt. Dabei singt er: „They ain't making Jews like Jesus anymore, we don't turn the other cheek the way we've done before“. Redneck-Bashing innerhalb der Country-Szene, das hatte es noch nicht gegeben, und der Kinks-ter, wie er sich nennen lässt, setzte mit „I'm proud to be an asshole from El Paso“ gleich noch einen drauf. Pointen auf Kosten von rassistischen Provinzidioten mögen zwar wie eine äußerst einfache Humorübung erscheinen, aber aussprechen musste sie doch zuerst der Texas Jewboy.
Wo aber heute die Austin Lounge Lizards, die in dieser Tradition tatsächlich die bösesten und witzigsten Songs der Countrygeschichte schreiben, irgendwann ermüden, weil eine Countryplatte eben keine Comedyshow ist, da fanden die Friedman-Platten immer wieder zur genretypischen Melancholie zurück. Auch hier hat der Kinkster einen Meilenstein hinterlassen: Das Holocaust-Klagelied „Ride 'em Jewboy“, das im klassischsten Country-Idiom das Bild vom einsamen Reiter auf die Situation der Juden nach der Shoah anwendet und dabei kein bisschen lächerlich wirkt.
Dass man Friedman aber auch zu Recht nicht mögen kann, dafür sorgt er selbst immer wieder. Seine Beteiligung an Chinka Chevins Country Porn-Projekt und vor allem das vielleicht wirklich dumme „Get your buiscuits in the oven (and your buns in the bed)“ veranlassten die American Women's Association, ihm den Titel „Male Chauvinist Pig of the Year“ zu verleihen. Auch wenn unklar bleibt, wer denn nun der Sexist ist, das Arschloch aus El Paso, der fiktive Kinky oder Richard Friedman, die gewollte politische Unkorrektheit bleibt meist nervtötend. Wenngleich sie immer noch entspannter und cleverer daherkommt als alles, was den Harald Schmidts dieses Landes je aus dem Mund gefallen ist.
Auch über seine Krimis, die er seit Mitte der Achtziger regelmäßig auf den Markt wirft, muss man sich leider nicht den Kopf zerbrechen. Denn der misanthropische Humor, der den Songs oft ihre Einzigartigkeit gab, wird bald öde, wenn er auf das Format von Romanen aufgeblasen wird, in denen ein ehemaliger Country-Sänger namens Kinky durch und über wirre Handlungsstränge stolpert.
Obwohl es natürlich schade ist, dass er seinen ehernen Vorsatz bereits letztes Jahr gebrochen hat, niemals in Deutschland zu spielen, ist es vielleicht doch auch an der Zeit, ihm einmal leibhaftig gegenüberzutreten. Das könnte spannend werden, denn erst kürzlich wurde die musikalische Seite des Kinksters durch ein Tribute-Album wiederbelebt, auf dem verschiedene Größen aus dem Business die alten Kinky-Songs spielen. Am schönsten tun dies Willie Nelson und Tom Waits. Aber auch der Jewboy steuerte einen Tribut bei: an sich selbst.
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