Erpressung mit einer Pleite auf Raten

■ Babcock AG will im Magdeburger Armaturenwerk 200 Leute entlassen

Magdeburg (taz) – „Kann sein, daß wir aufs falsche Feld gesetzt haben“, meint der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Babcock AG, Andreas Schlüter. Der Manager bereist mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Höppner gerade die USA. Mit im Gefolge ist auch der Landeswirtschaftsminister Klaus Schucht, der als ehemaliger Treuhanddirektor Schlüters Anliegen gut kennen dürfte. Die Tochterfirma „Magdeburger Armaturenwerk“ schreibt in diesem Jahr 30 Millionen Mark Verlust in die Konzernbilanz. Vom fernen Amerika aus droht Schlüter nach Zeitungsberichten, das Werk zu schließen, falls der Betriebsrat nicht der Entlassung von 200 weiteren MitarbeiterInnen zustimmt.

Der Betriebsratsvorsitzende Otto Weiß kündigte energischen Widerstand an. Die Geschäftsleitung in Magdeburg war gestern zu keiner Stellungnahme bereit. Der Betriebsrat hat für heute eine außerordentliche Betriebsversammlung einberufen. Er fühlt sich erpreßt. Schon 1993 hatte ihm der Konzern nach langen Verhandlungen die Halbierung der Belegschaft abgerungen. Damals hatte der Konzern immerhin eine schriftliche Beschäftigungsgarantie für die verbleibenden 400 MitarbeiterInnen abgegeben.

Der Bevollmächtigte der IG- Metall-Verwaltungsstelle Magdeburg, Claus Matrecki, droht deswegen mit dem Gang vors Arbeitsgericht. Die Beschäftigungsgarantie sei Teil jedes einzelnen Arbeitsvertrages, „und damit hat jedes Belegschaftsmitglied einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung. Die IG Metall werde ihren Mitgliedern „natürlich gern Rechtsschutz bei der gerichtlichen Durchsetzung dieser Ansprüche gewähren“, sagt Matrecki.

Die Deutsche Babcock hatte den Magdeburger Armaturenbauer bereits 1991 übernommen. Es war eine der ersten großen Privatisierungen der Treuhandanstalt. Von den einst 7.000 Armaturenwerkern waren zum Zeitpunkt der Privatisierung nur noch 3.000 bei dem Unternehmen tätig. Im Privatisierungsvertrag hatte die Babcock sich von der Treuhand schon grünes Licht zur Entlassung weiterer 2.000 MitarbeiterInnen geben lassen. Das MAW produzierte Wasser-, Regelungs- und Hochdruckarmaturen. Vor allem diese Geräte stellten eine besonders lukrative Produktionspalette dar, die vor der Wende gute Marktchancen in den alten Bundesländern und dem westlichen Ausland hatte. Kam hatte die Treuhand das Magdeburger Werk verkauft, verlagerte die Babcock AG die Produktion der Hochdruckarmaturen zu seiner Konzerntochter Sempell im westdeutschen Korschenbroich. Die Ladenhüter bleiben im Osten. „Damit hat Babcock ihre westdeutsche Tochter auf Kosten der MAW saniert“, hatten schon damals SPD und IG Metall kritisiert. Eberhard Löblich