Böser Traum für Shaquille O'Neal

Nach einer für ihre Verhältnisse lausigen Saison verteidigten die Houston Rockets doch noch ihren Titel in der Basketball-Liga NBA / Orlando Magic wurde im Finale mit 4:0 düpiert  ■ Von Matti Lieske

Berlin taz) – Als die Houston Rockets in der ersten Runde der Play-offs der US-amerikanischen Basketball-Liga NBA gegen Utah Jazz antreten mußten, das zweitbeste Team der Saison, gab kein Mensch einen Pfifferling für sie, besonders als sie in der best of five- Serie gleich mit 0:2 in Rückstand gerieten. Doch sie bissen sich durch und warfen die Mannschaft vom Großen Salzsee aus dem Meisterschaftsrennen. Als die Titelverteidiger aus Texas, die die Spielzeit nur als sechstbeste West- Mannschaft abgeschlossen hatten, in der zweiten Runde gegen die Phoenix Suns spielen mußten, das drittbeste Team der Saison, gab kein Mensch einen Pfifferling für sie, besonders, als sie in der best-of seven-Serie mit 0:2 in Rückstand gerieten. Doch die Rockets rappelten sich auf, und am Ende hatten auch Charles Barkley und seine Gefährten aus der Wüste Arizonas das Nachsehen.

Als die Houston Rockets im Halbfinale auf die San Antonio Spurs trafen, das beste Team der Saison, wurden ihnen aufgrund ihrer offenkundigen Zähigkeit schon kleine Chancen eingeräumt, zumal sie mit 2:0 in Führung gingen. Tatsächlich schafften sie es, die bis dahin so souveräne Mannschaft um David Robinson und Dennis Rodman vollständig zu entzaubern und ins Finale vorzudringen. Niemand zweifelte daran, daß sie dieses gegen Orlando Magic gewinnen würden; daß es allerdings so schnell gehen würde, hätte wiederum keiner geglaubt. Mit 113:101 gewann Houston im eigenen „Summit“ auch das vierte Spiel der Serie und war damit erneut Champion.

Die Endspielserie der Rockets gegen die New York Knicks im letzten Jahr blieb zwar mitnichten als spielerischer Glanzpunkt in Erinnerung, war aber immerhin bis zur letzten Sekunde des siebten Spiels extrem spannend. Houstons Duell mit Orlando Magic rauschte hingegen vorüber wie ein Platzregen. „Ich hätte nicht gedacht, daß wir 0:4 verlieren“, sagte Orlandos Center Shaquille O'Neal ratlos, und auch sein Gegenpart von den Rockets, Hakeem Olajuwon, hatte keine plausible Erklärung parat: „Ich bin selbst überrascht. Aber manche Dinge kann der Mensch eben nicht erklären.“

Ein paar Gründe gab es schon für die eklatante Überlegenheit der Rockets. Die ganzen Play-offs hindurch hatte Orlando gegen das Vorurteil gekämpft, daß die Mannschaft zu jung und zu grün sei, um Meister zu werden. „Warum nicht wir, warum nicht jetzt“, lautete der Slogan. Doch im Finale zeigte sich, daß das Vorurteil nicht ganz unbegründet war. Während bei Houston jeder einzelne Spieler seine Bestform pünktlich erreichte, als es um die Wurst ging, versagten den Magic-Akteuren die Nerven. Außer O'Neal befand sich kaum einer wenigstens in Normalform. Die Dreipunktschützen, die Michael Jordans Chicago Bulls und die Indiana Pacers zur Verzweiflung getrieben hatten, versagten plötzlich völlig. „So schlecht habe ich nicht geworfen, seit – ach, ich kann mich nicht erinnern“, klagte beispielsweise Dennis Scott nach dem 103:106 in Spiel 3.

Die tragische Figur der Serie war Nick Anderson. Im ersten Match hatte er durch vier verpatzte Freiwürfe in Folge den Orlando- Sieg verspielt, danach war er nur noch ein Nervenbündel, was das Publikum im Houston Summit mit hämischen Sprechchören weidlich ausnützte. Andersons Trefferquote war kläglich und in der Defensive bekam er kaum einen Stich gegen den agilen Clyde Drexler, über den er am Ende nur staunen konnte: „Er ist der älteste Typ auf dem Platz und der schnellste. Du guckst hoch, um zu sehen, wo er ist, und schon ist er weg.“

Durch die Verpflichtung Drexlers, der während der Saison aus Portland kam, haben die Rockets nicht nur ihr Fastbreak-Spiel stark verbessert, sondern auch wesentlich mehr Überraschungselemente im Angriff. Mit Drexler, Sam Cassell und Kenny Smith sind drei Spieler in der Lage, zum Korb zu dribbeln – bei Orlando kann das nur Anfernee Hardaway. Selbst die Reboundschwäche war nicht so groß wie befürchtet, da Drexler in den ersten drei Finalspielen nicht nur 23,7 Punkte und 6,3 Assists im Durchschnitt schaffte, sondern auch 9,7 Rebounds, eine erkleckliche Zahl für einen Guard.

Ein weiterer wesentlicher Faktor war die große Leistung von Robert Horry, den sein Gegenspieler, Orlandos Veteran Horace Grant, als „Scottie Pippen der Zukunft“ feierte. Horry spielte fast durch und brillierte nicht nur mit Dreipunktwürfen, rund 16 Punkten sowie neun Rebounds im Schnitt, sondern verunsicherte Orlandos Angriff auch durch diverse Blocks und Steals. Außerdem hielt er den reboundstarken Grant vom eigenen Korb fern.

Über allem aber thronte natürlich „The Dream“: Hakeem Olajuwon, geboren vor 32 Jahren in Lagos, Nigeria, der „beste Center des Universums“ (USA Today). Auch im vierten Spiel war er mit 35 Punkten und 15 Rebounds der überragende Spieler, wurde in seiner Freude über den erneuten Triumph jedoch noch von Clyde Drexler übertroffen, der endlich die zweifelhafte Ehre los wurde, jener Spieler mit den meisten NBA- Punkten zu sein, der keinen Titel gewann. „Das schmeckt so süß, das kann sich niemand vorstellen“, jubelte der fast 33jährige.

Mit dem süßen Leben im US- Basketball kann es im übrigen schnell vorbei sein, denn der NBA droht ein Arbeitskampf. Klubbesitzer und Spieler konnten keine Einigung über einen neuen Arbeitsvertrag erzielen und bereits in den nächsten Tagen könnte es eine Aussperrung für Olajuwon, Shaq und Kollegen geben.