Rheinischer Düsentrieb

■  Von Analverkehr bis Zwiebelgemüse: Jean Pütz, Erfinder und Moderator der WDR-„Hobbythek“, feiert heute sein 25-jähriges Bildschirmjubiläum (21 Uhr, WDR)

Unlängst durften Express-Leser endlich wieder auf echt Sensationelles hoffen: „Jean Pütz: Die Sex-Beichte!“ prangte da auf der Titelseite der Kölner Boulevarpostille. So was gehört natürlich gekauft. Schon von Berufs wegen. Aber kaum hatte man das Blättchen aufgeschlagen, folgte die Ernüchterung. Denn da hieß die „Sex-Beichte“ nur noch „Das Liebesgeständnis“ und bestand lediglich aus Bekenntnissen des Mannes mit dem Zwirbelschnauz, die rund um den Dom sowieso schon jeder kannte: Ehefrau wegen deutlich Jüngerer verlassen, früher echter Hallodri und begeisterter Seitenspringer gewesen, auch heute mit 63 noch voll potent (Viagra: „Ich brauch' das Zeug nicht.“), ab sofort aber total treu, obwohl: „Der Mensch ist nicht monogam.“ Und so weiter und so fort.

Und zum krönenden Abschluss dieser kruden Mixtur aus libidinöser Selbstbeweihräucherung und erheiternden Allgemeinplätzen: „Es stört mich, dass mein Privatleben öffentlich diskutiert wird.“ Genau. Pützsche Dialektik in Reinkultur. Nun gut, er soll anschließend nicht sonderlich glücklich mit der Form gewesen sein, in der ein Express-Schreiber seine Ergüsse hier zu Papier gebracht hatte. Aber immerhin hatte er vor dem Mann ja wohl bereitwillig sein Liebesleben ausgebreitet, und so ganz unangenehm dürfte ihm die öffentliche Charakterisierung als Womanizer vom Wallraffplatz (offizielle WDR-Anschrift) gewiss auch nicht sein. Kurzum: Für Jean Pütz ist Eitelkeit nun wirklich kein Fremdwort.

Tut aber letztlich nix zur Sache. Immerhin ist der Mann im Fernsehgeschäft. Und da hat der diplomierte Nachrichtentechniker durchaus Erstaunliches geleistet. Schließlich feiert die von ihm konzipierte und bis jetzt moderierte Sendung „Hobbythek“ heute ihr 25-jähriges Bildschirmjubiläum und dürfte damit neben „Tagesschau“, „heute“ oder der „Sportschau“ zu den wenigen Dauerlauf-Dinos in der Branche gehören.

Als Jean Pütz am 22. Dezember 1974 erstmals mit der „Hobbythek“ im Dritten Programm des WDR vor die Kameras trat (Thema: „Spiele für Erwachsene“; nein, das hatte nix mit „Swinging Ehepaare“ zu tun), präsentierte sich da ein gänzlich neuer Ansatz der telegenen Wissensvermittlung. Denn bis dahin war ein Hochschulabschluss auf Seiten der Zuschauer eigentlich Grundvoraussetzung, um Wissenschaftssendungen im Fernsehen einigermaßen folgen zu können.

Jean Pütz gelang damals scheinbar mühelos der Spagat zwischen seriöser Information und locker-flockiger Präsentation, die auch Otto Normalverbraucher nicht verschreckte. Und ein griffiges Etikett hatte der rheinischen Daniel Düsentrieb für seine Popularisierung des vormals drög-akademischen Treibens auch bald parat: „Mein trojanisches Steckenpferd.“ Nah am damaligen Zeitgeist surfte er schon bald auf der Öko-Welle, verstand sich dabei aber nie als Fundi, sondern vermarktete seine „Leben und leben lassen“-Linie zwischen Waschpulver-Baukasten, ballaststoffreichen Weihnachtsleckerli und ätherischen Besser-atmen-Substanzen stets so, dass auch die latent willige Brigitte-Klientel nicht gleich wegschaltete.

Und immer lugte dabei auch mahnend die Dritte Welt um die Ecke, für die sich Jean Pütz u. a. in Gestalt der berühmt-berüchtigten Nicaragua-Dröhnungen („Transfair“, „Forestal-Kaffee“) stark machte. Die Bilanz seiner guten Taten liest sich durchaus beeindruckend: Rund 300 „Hobbythek“-Sendungen mit (inklusiv aller Übernahmen und Wiederholungen) jeweils rund 1,5 Million Zuschauern, 20 Millionen auf Anfrage vom WDR kostenlos verschickte „Hobbytips“ und ca. 4 Millionen verkaufte „Hobbythek“-Bücher (erfolgreichster Titel: „Darm und Po“). Darüber hinaus initiierte und moderiert(e) Jean Pütz gleich eine ganze Reihe weiterer Verbraucherformate im WDR. Darunter das Umweltmagazin „Dschungel“ und die „Wissenschaftsshow“, die inzwischen als „Quarks & Co.“ von dem wunderbaren Ranga Yogeshwar präsentiert wird.

Jean Pütz' drolliger Vati-erzählt-vom-Regenwald-Moderationsstil ist nach wie vor gewiss nicht jedermanns Sache, klingt aber immer nach echter Begeisterung. Und die ist es womöglich auch, die den Mann antreibt. In der heutigen Jubiläumssendung wird er sich unter dem Thema „Vom genussvollen Umgang mit der Zeit“ sinnigerweise über das korrekte Altern auslassen. Und vermutlich wird auch da Viagra wieder einmal keine Rolle spielen.

Anyway, Gückwunsch und noch eine Denksportaufgabe für den Jubilar zu Schluss: Irgendeine Idee, warum Ranga Yogeshwars Privatleben kaum öffentlich diskutiert wird? Reinhard Lüke