Gibt's noch Fragen zu Thomas Schaaf?

Doch wohl kaum! Über ein Wunder, das keines war, weil doch ein wunderbarer Trainer wirkte / Ganz nebenbei: Werder besiegt Olympique Lyon im Uefa-Pokal mit 4:0  ■ und steht jetzt in der vierten Runde des Wettbewerbs Von Jochen Grabler

Als die Spieler ihre Ehrenrunde starteten, als die Ostkurve trotz der ungewohnt dünnen Besetzung kochte, als die Herren Ailton und Pizarro mangels fremdmannschaftlicher Partner die Leibchen eben untereinander tauschten, als Reporter hektisch nach Helden grabschten, um sie vor Kameras zu zerren, als selbst Stadionsprecher Christian Günthers Scherzproduktion rührungsbedingt kurzzeitig ausfiel, als sich überhaupt beinahe alle irgendwie herzten und kosten – da stand er am Strafraumeck, ganz alleine, guckte kurz in den Himmel, als könnte Hilfe herniederplumpsen, damit man's fassen kann, lächelte, schüttelte kurz den Kopf, war eben doch nicht zu fassen, vergrub die Hände noch tiefer in den Taschen und schlenderte langsam, langsam über den Rasen in Richtung Kabine: Thomas Schaaf im stillen Genuss des Triumphes. Vor allem seines Triumphes. „Wunder? Wieso Wunder“, fragt er ein Viertelstündchen danach zurück. Dass man eine Mannschaft dazu bringt, so motiviert und planvoll zu Werke zu gehen, selbst wenn die Lage beinahe hoffnungslos ist, „das ist mein Job. Mit Wundern hat das nichts zu tun.“

Soll man sie noch einmal erzählen? Die Geschichte von diesem an sich hoffnungslosen Abend, nach dem 3:0 in Lyon? Vom Sauwetter, von den wenigen Zuschauern, wie aber die Mannschaft Volldampf spielte, vom aufopferungsvoll rackernden Herzog, von Eilts in EM-Form, vom gerade genesenen Trares, kampfstark und abgeklärt wie eh und je, von Mister Cool Cesar, von Baumann, dem besten, von Rost, Retter der letzten Minuten, und dann diese Zuckertore, Bodes Schnibbeltreffer fast von der Auslinie, Herzogs Elfer, Baumanns Blitzreaktion, und dann dieser Konter über den pfeilschnellen Ailton, perfekt auf Pizarro, 4:0... – muss man nicht noch einmal erzählen. Lieber das: Was kann dieser Verein, diese Mannschaft, was können die Fans glücklich sein, dass der da ist. Mögen andere vom „Wunder von der Weser“ reden, wir reden von Thomas Schaaf.

Doch das allergrößte Wunder in diesem Dezember ist nämlich tatsächlich, dass von einem Wunder gar keine Rede mehr sein kann. Mirakulös mögen vielleicht die ersten rauschhaften Wochen der Ära Schaaf gewesen sein, als die Mannschaft in der ersten Liga blieb und auch noch den DFB-Pokal gewann. Doch die Resultate danach, haben so gar nichts mit der Verabreichung von Zaubertrank oder Kabinen-Voodoo zu tun. Sie sind schlicht und einfach die Folge feinster Arbeit des aktuellen Übungsleiters.

Man muss gerade mal ein gutes halbes Jährchen zurückdenken, um die Dimension dessen erahnen zu können, was Thomas Schaaf in Bremen bewegt hat. Nach der Heimniederlage gegen Frankfurt am Ende der letzten Saison hat niemand auch nur noch einen Pfifferling auf Werder gesetzt. Felix Magath hatte einen Trümmerhaufen hinterlassen. Der Abstieg schien sicher. Umso imposanter liest sich die Leistungsbilanz der Ära Schaaf: Zweite Liga verhindert; Pokal-Finale gegen die Bayern gewonnen; Baumann, Pizarro, Cesar verpflichtet; einen stabilen Platz in der oberen Tabellenhälfte erreicht, zwischenzeitlich sogar Platz vier; im DFB-Pokal im Viertelfinale; und nach dem Triumph vom Dienstag steht Werder im UEFA-Cup in der vierten Runde. So ganz nebenbei hat der Trainer das Spielsystem komplett umgestellt, und die neuformierte Viererkette harmoniert, als hätten die Grün-Weißen seit Jahren nichts anderes gespielt. Ganz zu schweigen vom angeblichen Millionenflop Ailton, der unter Schaaf plötzlich wieder weiß, wie man kickt und sich selbst im norddeutschen Sauwetter pudelwohl fühlt. Noch Fragen zum Trainer?

Wohl kaum! Wobei Schaaf selbst in solchen Momenten die Stirn kraus legt. Derlei Hymnen sind ihm zutiefst suspekt, auch wenn er selbst nicht müde wird, die Mannschaft zu loben: „Wir spielen schon ganz gut“, sagt er. „Es fehlt uns aber die gewisse Konstanz.“

Auf die sensationelle 17-Tore-Woche im September folgte ein mühsames Unentschieden im Heimspiel gegen Ulm. Lyon haben sie vom Platz gefegt, aber morgen wartet schon der nächste schwere Gegner. Zuzutrauen wär's dem Schaaf, dass er daran gedacht hat bei seinem Blick in den Abendhimmel und vielleicht doch gehofft hat auf ein kleines Nachfolgewunder.

Himmel hilf! Am Freitag kommt Haching.