Millenniums-Spektakel in schlechtem Licht

■  Historiker und Politiker wollen „Lichtkathedrale“ an der Siegessäule verhindern. Präsident des Goethe-Instituts ist strikt gegen die „Gigantomanie“, ebenso Lea Rosh. Nur der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde bleibt gelassen

Die riesige Scheinwerfer-Schau an der Siegessäule, die an Silvester ihre Strahlen in den Himmel werfen sollen, stößt jetzt bundesweit auf Kritik. Das Lichtspiel erinnere „fatal an das Dritte Reich und Albert Speer“, sagte gestern Hilmar Hoffmann, Präsident des Goethe-Instituts, gegenüber der taz. Er wandte sich strikt gegen diese „Gigantomanie“. Im Ausland werde das Spektakel nicht gut ankommen, prophezeite er.

Hoffmann war bei der Berliner Bewerbung für Olympia 2000 zuständig für das Kulturprogramm und hat sich in diesem Zusammenhang kritisch mit den Olympischen Spielen 1936 auseinander gesetzt.

Verantwortlich für die Lichtinstallation ist das Unternehmen „Art in Heaven“. Es will 250 Großscheinwerfer montieren, die auf sechs Meter hohen Podesten rund um die Siegessäule farbige Lichtstrahlen in den Himmel werfen. Die Veranstalter bezeichnen das Ereignis als „unpolitisch“, da es sich nur um Licht handele.

Dieser Meinung widerspricht auch Lea Ros, die Vorsitzende des Förderkreises für ein Holocaust-Mahnmal. Auch Rosh wandte sich gegen die Licht-Show: „Das ist verrückt und übertrieben“, sagte sie. Die geplante „Lichtkathedrale“ lasse jede kritische Distanz zur nationalsozialistischen Lichtästhetik vermissen.

Ebenso zeigte sich die geschäftsführende Direktorin der Stiftung „Topographie des Terrors“, Gabriele Camphausen, entsetzt: „Hier mangelt es wieder einmal an Fingerspitzengefühl.“ Mit einer Veranstaltung, die an die alte Reichshauptstadt anlehne, dürfe das „neue Berlin“ nicht umgesetzt werden.

Auch aus dem eher konservativen Deutschen Historischen Museum hagelte es Kritik: „Sobald es nur irgendeine Assoziation zu Speer gibt, kann man das nicht mehr machen“, sagte die Sammlungsleiterin für Kunst und Fotografie, Monika Flacke. Die Veranstalter sollten sich eine andere Art der Lichtinszenierung überlegen, die nicht so monumental wirke. Zum Jahrtausendwechsel mache das keinen guten Eindruck.

Die PDS brachte gestern bei der Abgeordnetenhaussitzung einen Dringlichkeitsantrag ein, wonach das Parlament beschließen soll, auf die „Lichtkathedrale“ an der Siegesäule „aufgrund der sprachlichen und konzeptionellen Nähe zum Lichtdom des Hitler-Architekten Albert Speer zu verzichten“. Über den Antrag war bei Redaktionschluss noch nicht abgestimmt.

Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Irene Rusta, betonte, dass Kunst zwar „frei“ sei, der „Lichtdom“ an der Siegessäule jedoch eine Symbolik beinhalte, die „mir nicht gefällt.“ Am Ende des Jahrtausends sollte man nicht an „unrühmliche Konflikte“ erinnern. Die Siegessäule verkörpere Krieg. Das Spektakel sollte an einem anderen Platz stattfinden, forderte sie. Sie könne sich den Fernsehturm am Alexanderplatz als Alternativstandort vorstellen.

Alice Ströver von den Grünen sagte, dass die Intention des Künstlers eindeutig eine Provokation sei. Die neue Hauptstadt solle sich zurückhalten und nicht „zentralistisch und großmannsüchtig“ auftreten. Die CDU wollte sich gestern dazu nicht äußern.

Einzig der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, versteht die Aufregung nicht. Das Millenniums-Spektakel sei „nur eine Karikatur von dem, was Speer gemeint hat“. Es entstehe bei ihm nicht das Gefühl, dass ein „Reichsparteitag inzeniert“ würde: Die Menschen, die an Silvester zur Siegesäule gingen, würden Champagnerflaschen schwenken und nicht im Gleichschritt salutieren. Anders wäres es jedoch, wenn die Republikaner oder die DVU das Spektakel veranstalten würde: „Dann würde ich kotzen.“

Julia Naumann