: Minister als Schmuggler
■ Montenegros Außenminister wird in Neapel wegen Tabakschmuggels angeklagt
Rom (taz) – Die Ermittlungen begannen bereits vor fast einem Jahrzehnt. Zu Anfang der 90er-Jahre bekamen italienische Strafverfolger den Hinweis, der seit je blühende Zigarettenschmuggel ins Land stütze sich unter anderem auf einen Mitarbeiter der Aerea Jet, einer Fluggesellschaft des zerfallenden Jugoslawien. Der Name des Mannes: Branco Peroviqcc. Die Nachforschungen bestätigten die Hinweise, seither sitzen die Staatsanwälte dem Schmuggler auf den Fersen. Nur: Perovic ist inzwischen Außenminister Montenegros. Und als solchem ist ihm nur schwer beizukommen. Diplomatische Immunität schützt ihn vor Verhaftung.
Immerhin reichten die Beweise der Staatsanwaltschaft dem Voruntersuchungsrichter Neapels, Luigi Esposito, zur Anklageerhebung. Perovic findet sich dabei in illustrer Unterwelt-Gesellschaft, denn mit angeklagt sind nicht weniger als 26 Mitglieder der nepaolitanischen Camorra, hauptsächlich Angehörige des als besonders blutrünstig bekannten Clans Mazzarella. Der alleine soll jährlich mit Tabakschmuggel an die 200 Millionen Mark umsetzen.
Was den Fall jedoch über den Außenministers hinaus brisant macht, ist eine Reihe der Anklageschrift beigelegter Dokumente, zumeist Abhörprotokolle oder Lausch-und Guckangriffe auf die Angeklagten: Danach ist nicht nur Perovic in den gigantischen Schmuggelring „voll integriert“ (so die Staatsanwaltschaft), sondern auch noch ein ansehnlicher Anteil der politischen Führung in Montenegro insgesamt. So haben die Ermittler Gespräche mitgeschnitten, in denen viel vom Schutz der Geschäfte durch den derzeitigen Präsidenten Milo Djukanovic die Rede ist und auch davon, wie man mit seiner Hilfe Konkurrenzunternehmen ausschalten kann. Perovic selbst fungierte als Garant der Unbehelligtheit der aus Montenegro kommenden Sorte.
Bewahrheiten sich diese Anschuldigungen, dürfte sich ein schwerer diplomatischer Konflikt kaum vermeiden lassen. Denn Montenegro bezieht nach Erkenntnissen auch internationaler Beobachter einen großen Teil seiner staatlichen Einkünfte aus dem Tabakschmuggel – jede Stange Zigaretten wirft einen beträchtlichen „Durchgangszoll“ ab. Seine Unterbindung würde unweigerlich den Staatsbankrott bedeuten.
Werner Raith
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