Menschen in Zeiten der Sony-Ästhetik

■ Alles ist möglich. Und der Berlin-„Tatort“ wagt sich im Zeitalter des Hightech in ein „Tödliches Labyrinth“ (So., 20.15 Uhr, ARD)

Schon immer waren die Nepper, Schlepper, Bauernfänger schlauer, als die Polizei erlaubt. Aber im millenniumsschwangeren Hightech-Zeitalter ist unsere Vorstellung darüber, mit welchen Computertricks das organisierte Verbrechen operiert, zur einer gigantischen Omnipotenzfantasie angewachsen: Alles ist möglich, wenn man nur den richtigen Code hat.

Die Kommissare aus dem höheren Dienst stolpern durch dieses digitale Labyrinth wie weiland die Schutzpolizei: mit subalternem Kontrollverlust. Auch die SFB-Ermittler Hellmann und Ritter staunen nur ungläubig, als ein junger Hacker alle Ampeln Berlins auf Grün programmiert hat. Auch brauchen sie eine satte TV-Stunde, bis ihnen ein junges Mädchen bedeutet, auf Fahndung doch besser ihre Handys auszuschalten. Mit den entsprechenden Peilgeräten könne die Gegenseite schließlich nicht nur den Standort des Telefonbesitzers ermitteln, sondern via Mikrofon auch jedes im Raum gesprochene Wort abhören.

Das Verbrechen ist in diesem Hightech-Krimi natürlich im Gegensatz zum Polizeipräsidium perfekt ausgerüstet und wird normalerweise ohnehin nur noch virtuell kriminell. Via Internet werden interessante Wirtschaftsunternehmen ausspioniert, um dann den Konkurrenten die Informationen meistbietend zu verkaufen. Schon die bloße Tatsache, daß der eiskalte Boss (wunderbar als seine eigene Karrikatur: Burkard Driest) eingangs seinen Peilwagen verlassen musste, um eigenhändig den Ampelhacker über die Hochhausbrüstung zu werfen, zeigt: Die Operation „digitel“ ist irgendwie schief gegangen.

Die sattsam bekannte, coole Sony-Ästhetik, den sich die SFB-Tatort-Truppe mit diesem zweiten Fall zugelegt hat, ist nicht unbedingt innovativ, aber nach dem fortgesetzten Desaster früherer Storys durchaus ansehnlich. Peu à peu machen sich uns die beiden Ermittler als altmodische Gefühlsmenschen vertraut, beide haben in dieser Folge nicht nur viel über die modernen Zeiten zu lernen, sondern auch schweres Herzeleid zu ertragen: Ritter (Dominic Raacke) hat bei einer Verfolgungsjagd einen Verbrecher hinterrücks erschossen, sein Freund und Kollege Hellmann (Stefan Jürgens) hat sich ausgerechnet in eine zwielichtige BKA-Computerexpertin verguckt.

Auch wenn von Anfang an klar ist, wer das Verbrechen begangen hat, hält Drehbuchautor Fedor Masnak doch die Spannung lange aufrecht, indem er uns nicht verrät, warum dieser so unelegant vollzogene Mord geschah. Dass – wie dieser Tage oft gesehen – das junge Mädchen mit einer modernen Digi-Cam das ganze Verbrechen aufgezeichnet und schließlich Ausschnitte davon ins Internet gestellt hat, ist wohl auch den modernen Zeiten geschuldet. Denn, so die Philosophie dieser Tatort-Folge, nicht nur das Verbrechen, auch die Jugend ist längst schlauer, als die Polizei erlaubt.

Klaudia Brunst