■ Eine funktionierende Kontrolle der Unternehmensvorstände fehlt: Holzmanns Luschen
Luschen“ seien die Herren in den Aufsichtsräten deutscher Konzerne fast alle, echauffierte sich der renommierte Wirtschaftsexperte und Finanzberater Klaus A. Lube nach dem „plötzlichen Auftauchen“ von Verbindlichkeiten in Höhe von 2,3 Milliarden Mark bei Holzmann. Recht hat der Mann. Schuldenberge tauchen nämlich nicht so „plötzlich“ auf wie Eisberge. Sie werden „aufgeschüttet“ von den Vorstandsmitgliedern der Konzerne. Und die Herren in den Aufsichtsräten schauen ihnen dabei zu.
Nun droht der Crash. Vorstandsvorsitzende, manchmal auch Finanzvorstände und oft genug komplette Belegschaften (oder Teile davon) springen dann über die Klingen, so wie jetzt bei Holzmann. Entlassungsbehörde: der Aufsichtsrat. Obgleich der doch jede der jetzt plötzlich „falschen“ Entscheidungen der Vorstandsmitglieder entweder billigte oder einfach „überhaupt nix gerafft“ hat – entweder gefälschte Unterlagen nicht als solche erkannte oder es an der nötigen Zeit fehlen ließ für die Vorbereitung auf diese oder jene Sitzung. Schließlich sitzen nicht wenige Vertreter von Großaktionären gleich in mehreren Aufsichtsräten.
Gibt es keine Entlassungsbehörde für Aufsichtsratsmitglieder? Doch: die Hauptversammlung (HV). Auf der haben aber die Großaktionäre das Sagen; und die stellen die – kapitale – Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder. Noch Fragen? Das ganze System muss also tatsächlich radikal verändert werden. Unabhängiger Sachverstand muss rein in die Aufsichtsräte; und im Gegenzug müssen die „Luschen“ rausgeworfen werden.
Da ist der Gesetzgeber gefordert. Wirtschaftswissenschaftler und erfahrene Praktiker, die nicht aus den Konzernen der Anteilseigner kommen, müssen die Konzernvorstände mit (!) kontrollieren. Eine dritte Bank muss also her im Aufsichtsrat. Oder es muss eine Vorstandskontrollbehörde nach US-amerikanischem Vorbild geschaffen werden, deren Experten dann das Zugangsrecht zu allen Konzernzentralen gewährt wird – und das Zugriffsrecht auf alle Akten. Zu viel Staat? Vielleicht. Aber immer noch besser als zu viel Macht konzentriert bei Banken und Versicherungen und zu wenig Macht für die abhängig Beschäftigten. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen