Urheber sollen künftig für Sondermüll haften

■ Fortschritt bei weltweiter Chemiekonferenz zur Basler Konvention: Haftungsregeln für Giftmüllexport in Sichtweite. Werbewirksamer Rückimport von Spritzmittel

Basel (taz) – In Zukunft sollen für Personen- und Umweltschäden durch exportierten Sondermüll weltweit die Urheber haften. Dies entschieden die Delegationen der inzwischen 133 Vertragsstaaten der „Basler Konvention“ gestern beim Folgetreffen, das aus Anlass der zehnjährigen Verabschiedung des Vertrags diese Woche in Basel stattfand. Der formelle Plenumsbeschluss stand bei Redaktionsschluss noch aus, schien aber nur noch Formsache. Besonders für Länder ohne entsprechende Haftpflichtregelungen ist dies ein wesentlicher Fortschritt gegenüber heute.

Weiter wird ein internationaler Kompensationsfonds geschaffen, der für ungedeckte Schäden aufkommen soll. Die Erweiterung des Fonds war bis zum Schluss umstritten und hatte die Verabschiedung des Haftpflichtprotokolls zur Zitterpartie gemacht. Entwicklungsländer hatten obligatorische Beiträge gefordert, doch schließlich setzten sich die Industrienationen mit ihrem Wunsch nach freiwilligen Zahlungen durch.

Das Geld kommt übrigens nicht von der produzierenden Industrie, sondern muss von den Regierungen der Vertragsstaaten aufgetrieben werden. Bereits seit 1995 verbietet ein Zusatzprotokoll den Export von gefährlichen Abfällen in Entwicklungsländer; weil noch nicht genügend Staaten den Zusatz ratifiziert haben, ist er allerdings völkerrechtlich nicht bindend. Doch nicht nur die Exporte von Müll, sondern auch der Handel mit heiklen Produkten wie Agrochemikalien und Pharmaka kann zum Bumerang werden, wenn diese ungenutzt vor sich hinrotten.

So weiß die Basler Chemie den internationalen Großanlass gut für ihre Zwecke zu nutzen. Medienwirksam führt der Novartis-Konzern in diesen Tagen 60 Tonnen seines vor Jahren gelieferten Herbizids „Fluometuro“ aus Uganda zurück; er beziffert den Aufwand mit umgerechnet 200.000 Mark. „Die Aktion ist billige PR, denn noch lagern zehntausende von Tonnen gefährlicher Chemikalien in Drittweltstaaten“, kommentiert Stefan Weber, der bei Greenpeace Schweiz in der Chemiekampagne tätig ist.

Dazu kommt, dass Novartis den Dreck aus Afrika elegant im eigenen Sondermüllofen entsorgen kann. Die Anlage in Basel, wenige hundert Meter von der deutschen Grenze, ist eine der modernsten und damit teuersten weltweit. Sie ist bloß zur Hälfte mit jenem Abfall ausgelastet, für den sie konzipiert ist, und fährt dem Unternehmen jährliche Defizite in Millionenhöhe ein. Nicht nur in der Rückführung eigener Altchemikalien tut sich die chemische Industrie schwer und beschränkt sich auf kosmetische Aktionen. Auch der Umgang mit Altlasten ist ein Tabu. So zieren sich Konzerne wie Hoffmann-La Roche, Novartis und die Ciba SC noch immer, die Verantwortung für jene schätzungsweise 35.000 Tonnen Giftmüll zu übernehmen, die zwischen 1939 bis 1961 auf schlecht eingerichteten Deponien im Basler Umland vergraben wurden. Und erst im Oktober hatte Greenpeace gegen Novartis und Ciba SC Strafanzeige erhoben, weil eine Altlast im Basler Klybeck-Quartier das Grundwasser bedroht. Anlass für die 1989 unterzeichnete „Basler Konvention war ein handfester Skandal in den Achtzigerjahren: Als im März 1983 im nordfranzösischen Anguilcourt-le-Sart die Schnitzeljagd nach den 41 Dioxin-Fässern aus Seveso zu Ende ging, erhielt die Forderung Auftrieb, der internationalen Giftmüllschieberei einen Riegel vorzuschieben. Sechs Jahre später dann verabschiedeten Delegationen aus 116 Staaten das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“. Das Vertragswerk beschränkt die grenzüberschreitenden Giftmülltransporte, fördert die Entsorgung gefährlicher Abfälle möglichst nahe beim Entstehungsort und will Sondermüll mengenmäßig und im Hinblick auf seine Gefährlichkeit reduzieren. Noch immer abseits stehen die USA als weltweit größter Giftmüllproduzent. Pieter Poldervaart