Liebeswirren auf dem Barockboulevard

■ Die Neuköllner Oper zeigt Adolf Hasses „La sorella amante“ als Screwball-Comedy

Tochter Lavinia soll – weil's für das Geschäft das Beste wäre – den hässlichen Gianferrante heiraten. Sie liebt aber den blässlichen Lelio, der jedoch die reife Diva Cassandra umgarnt, die wiederum mit Vater Alfonsos Gefühlen spielt, der von der Angestellten Ninetta becirct wird (schließlich will sie ein neues Kleid). Allerdings könnte Ninetta es sich auch mit dem Barkeeper Moschino vorstellen ... So viel zur Personenkonstellation. Dazu kommen noch ein gutes halbes Dutzend Intrigen, gemeine Finten und unglückliche Missverständnisse: Wer hier nicht durchblickt – kein Problem. Bei „GZSZ“ blickt schließlich auch niemand mehr wirklich durch.

Was sich in der Oper „La sorella amante“ an turbulentem Durcheinander in einem italienischen Restaurant zwischen Bistrotischen und klappriger Vespa abspielt, erinnert an Screwball-Comedy und Daily-Soap. Ein wenig hat sich Regisseurin Adriana Altaras wohl an diesen Vorläufern orientiert. Ihre Bühnenfiguren haben Charme und sind trotz aller menschlichen Grillen zugleich eine Parodie auf die stereotypen Operncharaktere. Was auf der Bühne ziemlich frisch und neu daherkommt, ist in Wirklichkeit jedoch sehr alt: Johann Adolf Hasses „opera rasante“ entstand 1729 in Neapel. Wolfgang Böhner hat sie ins Deutsche übersetzt, flott, mit durchaus heutigen Sentenzen („Die Welt ist beschissen“) und Robert Nassmacher musikalisch gestrafft. Von der Langwierigkeit sonstiger barocker Opern mit ihren endlosen Rezitativen – nichts davon hier. Die Inszenierung sucht keine tiefere Bedeutungsebene, sondern nimmt sich die Oper als Boulevard mit kabarettistischem Einschlag vor.

Dass dieser Zugriff funktioniert, beweist nicht zuletzt das glucksende Publikum. Nassmacher und sein zehnköpfiges Orchester an historischen Instrumenten zeigen damit auch die neuen Stärken der Neuköllner Oper: Mit leichter Hand wird die einschmeichelnde und facettenreiche Komposition ausgebreitet. Das fast durchgängig junge und neue Ensemble zeigt stimmlich wie darstellerisch kaum eine Schwäche und ist zu aller Freude auch noch überaus textverständlich. Countertenor Alexander Schneider beispielsweise (es ist sein Debüt auf der Opernbühne) macht als unglücklich Verliebter auf weinerlicher Teenager und wirkt dabei sehr überzeugend. Doerte Maria Sandmann als umworbene Braut Lavinia spielt mit ungeheurer Verve und italienischem Elan. Und dass einem die Darsteller während der Aufführung frischen Espresso reichen, könnte man als Anregung für den Besucherservice durchaus mal im Auge behalten. Axel Schock
‚/B‘Nächste Vorstellungen: 16. bis 18. und 25./26. 12., 20 Uhr, Neuköllner Oper, Karl-Marx-Str. 131–133