Hier sind die Nullen noch unter sich“

Richard Engel wollte erst ein Porträt Gerhard Gundermanns filmen. Dann starb der „Dylan des Ostens“ letztes Jahr. Am Ende ist „Gundermann – Ende der Eisenzeit“ die Erinnerung eines Fans geworden  ■   Von Thomas Winkler

Richard Engel ist ehrlich. Gleich an den Beginn von „Gundermann – Ende der Eisenzeit“ stellt er ein Bekenntnis über den Gegenstand seines Films: „Der Liedermacher, der Baggerfahrer, mein Freund Gerhard Gundermann. Wir nannten ihn Gundi.“ Fast zittert die Stimme im Off ein wenig. Man merkt dem Film die Freundschaft an. Das macht ihn manchmal etwas kritiklos, aber es ist gut so.

Gundermanns plötzlicher Tod durch Herzversagen vor gut einem Jahr fiel mitten in die Dreharbeiten des Films. Zuerst wollte Engel das Projekt einfach aufgeben. Schließlich dokumentierte er neben dem Leben von Gundermann genau das: was passiert, wenn ein Mensch geht, mit den Menschen, die er zurücklässt.

Und Gundermann ließ viele Menschen zurück. Nicht nur eine Frau und drei Kinder, sondern auch eine Band und ihre Fans, die von ihm aufgebaute Singegruppe Brigade Feuerstein, ehemalige Kollegen im Tagebau und neue aus der Tischlerlehre, und noch viel mehr Menschen, die er in seinen hyperaktiven, ruhelosen, gehetzten 43 Jahren Lebenszeit getroffen, inspiriert und aufgeregt hat. Dies schien Engel, so sagt er, „der interessanteste Aspekt“.

Hier liegt denn auch ein grundsätzliches Problem. Ohne halbwegs profunde Kenntnis der Person Gundermann ist es nicht allzu leicht, sich zurechtzufinden in dieser Mischung aus Privatem und Halböffentlichem, dem Verzicht auf Jahreszahlen, dem steten Wechsel zwischen aktuellen Aufnahmen, Bildern aus der ersten Dokumentation, die Engel 1981 über Gundermann filmte, und von Gundermann selbst gedrehtem Videomaterial. Ein bisschen bleibt so der Mensch Gundermann ein Geheimnis – und vor allem bleibt damit etwas vom Kult bewahrt. Sagt Klaus Koch von Gundermanns Plattenfirma Buschfunk, die auch diesen Film koproduziert hat, über Gundermanns beharrliche Weigerung so etwas wie Pressearbeit mitzumachen: „Ihn nach oben bringen? Wohin ist das? Dass er dann Platten macht, die ich nicht mehr hören will?“ Das ist noch echt independent.

Trotzdem – und trotz aller Skurrilität und einem guten Schuss Exzentrik – ist Gundermanns Leben doch auch von allgemeinem Interesse, ist seine Biografie doch auch eine typische DDR-Lebensgeschichte: jugendliches Revoluzzertum, Armee, Desillusionierung, Facharbeiter, nach der Wende arbeitslos, Umschulung, Stasi-Vergangenheit.

Ein bisschen suggeriert der Film auch, dass es das Ende des Tagebaus in der Lausitz und der Verlust seines geliebten Baggers mit der Nummer 1417, also schlussendlich die Wende war, die Gundermann umgebracht hat. Er selbst hätte es wohl nicht so schwarzweiß gesehen, eher mit ein wenig Distanz, die er sich in seinen letzten Jahren angewöhnt hatte, als er sich selbst nicht mehr so ernst nahm wie andere ihn.

Es ist auch ein wenig, aber vielleicht zu wenig ein Film geworden über diese Diskrepanz. Da sind die Gundermann-Fans, die ihm mit dürrem Zopf und Brille ähnlich sehen wie der Pudel seinem Herrchen. Manche Zeilen, die er über seinen Osten geschrieben hat, wurden so missverstanden wie „Born in the USA“ von Bruce Springsteen: „Hier sind wir noch Brüder und Schwestern / Hier sind die Nullen noch unter sich“. Es war im Grunde genommen ironisch, dass er im Westen so unbekannt geblieben ist, denn sein sanfter Spott wurde im Osten meist verdrängt. Jeder durfte ihn „Gundi“ nennen, und was immer verstanden wurde, was lauthals mitgesungen wurde auf Konzerten, war oft nur das Loblied aufs eigene Dasein, auch wenn es gar nicht immer so ernst gemeint war. Mehr als Gefühligkeit blieb nicht, wenn man die zweite, ironische und hinterfragende Ebene nicht mitdachte. Auch da ging es ihm wie seinem großen Vorbild Springsteen.

„Gundermann – Ende der Eisenzeit“. Regie: Richard Engel, Kamera: Uwe Mann, 95 Min.; Premiere heute um 22.30 Uhr in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz; ab 14. 12. im Kino Balázs, Karl-Liebknecht-Straße 9