Grüner Innenminister eines Protektorats

Der Politiker Tom Koenigs ist im Kosovo für Sicherheit und Wiederaufbau zuständig. Bei der albanischen Bevölkerung hat die internationale Verwaltung jedoch keinen guten Ruf

Priština (taz) – Im Kosovo beklagt sich fast jeder über die Unmik, die Mission der Vereinten Nationen im Kosovo. Wenn der Strom ausgefallen ist, dann ist in den Augen der Bewohner Prištinas die Unmik schuld, wenn der Wiederaufbau in den Dörfern stockt, klagen sogar ausländische Hilfsorganisationen die „internationalen Bürokraten“ in der Hauptstadt an, die Lieferung von Material nicht sichern zu können. Wenn wieder einmal ein Mord geschehen ist und die internationale Polizei im Dunkeln tappt, dann winken viele nur noch ab. Den „Coca-Colas“ – die Polizisten fahren mit rot-weißen Geländewagen herum – traut niemand etwas zu. Die UNO-Mission hat offenbar noch nicht Tritt gefasst in dem Land, das sie verwalten soll.

Tom Koenigs gehört zum Führungspersonal dieser Behörde mit mehr als tausend Mitarbeitern , die von dem Franzosen Bernard Kouchner geleitet wird. Koenigs bekleidet ein Amt, das etwa dem eines Innenministers entspricht. „Sicherlich, wir haben einige Probleme“, sagt der grüne Kommunalpolitiker aus Frankfurt, der als Freund Joschka Fischers gilt, und er fügt etwas schalkhaft hinzu, „wenn wir keine hätten, dann wären wir nicht hier. In der Schweiz ist eine internationale Verwaltung nicht vonnöten.“ Die Leute seien wohl etwas ungeduldig.

Ein bisschen dünnhäutig ist der schmächtige Mann geworden, der noch vor Wochen vor Tatendrang zu platzen schien. Der ehemals zum harten Kern der Frankfurter außerparlamentarischen Opposition gehörende Koenigs hat sich eine riesigen Aufgabe aufgehalst. Zwar hilft ihm seine unkonventionelle Art – Koenigs kehrt keineswegs den Chef heraus. Als Person sei er freundlich, in der Sache kompetent und knallhart, sagt sein Mitarbeiter anerkennend, der namentlich nicht genannt werden möchte. Das „Hallo, ich bin Ihr Chef“, mit dem er noch vor wenigen Wochen ein Schwätzchen mit den Polizisten einleitete, vermeidet er jedoch inzwischen. Jetzt sitzt der Mittfünfziger abgeschirmt von Besuchern in dem renovierten Gebäude des ehemaligen Informationsministeriums.

Koenigs nimmt die Unmik gegen Kritik in Schutz, sieht aber auch die Probleme. Die Unmik sei jetzt in allen Städten und Landkreisen vertreten, sagt er. „Aber es gibt 80 Prozent Arbeitslosigkeit, keiner der größeren Betriebe hat bisher angefangen zu arbeiten.“ Im Kosovo sei die Frage der Besitzverhältnisse noch schwieriger zu klären als in Ostdeutschland, kontert er entsprechende Vorwürfen von kosovo-albanischer Seite. Denn sowohl der UÇK-Premierminister Hashim Thaci wie auch der Premierminister aus dem Exil, Bujar Bukoshi, werfen der UN-Administration vor, die Besitzverhältnisse von 1989, vor der Aufhebung des Autonomiestatuts, als Ausgangspunkt zu nehmen. Der Staatsbesitz gehöre aber nicht Serbien, sondern der Republik Kosova, erklären die sonst so zerstrittenen Sprecher der Kosovo-Albaner seit Wochen in seltenem Einklang.

„Was macht man aber mit Schulden, die von den Betrieben unabhängig vom Staat aufgenommen wurden?“, fragt Koenigs zurück. „Wir hindern keinen Betrieb daran, die Produktion aufzunehmen, wenn die Arbeiter es wollen. Wenn aber ein ausländischer Investor eingreifen will, dann müssen die Besitzverhältnisse klargestellt sein.“ Halbheiten mag er nicht, er strebt grundsätzliche Regelungen an. Entschieden werden aber muss angesichts des Elends schnell.

Scharf wird seine Kritik an Thaci, wenn die Sicherheitslage angesprochen wird. „Zwar haben sich alle albanischen Politiker von den Morden und Übergriffen gegenüber Angehörigen der Minderheiten distanziert, aber es gibt ein großes Schweigen, wenn es um die Aufklärung geht.“ Die albanische Bevölkerung weigere sich, mit der internationalen Polizei zusammenzuarbeiten und die Mörder zu benennen. „Dies wird bei den Albanern als Verrat empfunden“, sagt Koenigs. Die „Kosovo Protection Force“, die Nachfolgeorganisation der UÇK, könnte aber damit anfangen, die Mauer des Schweigens zu brechen. „Ich warte auf den Moment, an dem die Thaci-Führung der Polizei Hinweise gibt, wer Schuld hat.“

Wie es aussieht, kann er lange darauf warten. Denn die albanische Mehrheitsbevölkerung empfindet die Herrschaft der Unmik inzwischen als Fremdherrschaft. „Sie reagiert abwartend und verlässt sich nur auf sich selbst“, sagt ein Mitarbeiter von Koha Ditore, der Tageszeitung aus Priština. Die Resolution des Weltsicherheitsrates, 1244, die Kosovo an Serbien bindet, sei ein Hemmschuh für die Entwicklung des Landes. Albaner und Serben könne man nicht mehr in einem Staat zusammensperren. „Die Resolution 1244 muss nachgebessert werden“, sagen sogar Mitarbeiter der Unmik und Sprecher der KFOR-Truppen unter der Hand.

Koenigs dagegen verteidigt die Resolution. Für ihn ist die Herstellung „normaler und ziviler demokratischerVerhältnisse“ nicht nur Aufgabe, sondern Auftrag, Überzeugung. Jetzt ist er mitverantwortlich für ein Experiment, an dem ein Stückchen Weltpolitik hängt. Denn das Kosovo ist faktisch ein Protektorat der UNO, der EU und der Militärs der KFOR geworden. Erich Rathfelder