Schröder hofft aufs Christkind

Bündnis für Arbeit tagte zum vierten Mal – und verhakte sich erneut in die alte Frage „Rente mit 60?“. Runde vor Heiligabend soll endlich den Gabentisch füllen ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Es ging ja schon so merkwürdig los. Als Dieter Schulte am Sonntagnachmittag zum Kanzler kam, schaute der „nicht gerade glücklich“. Dem DGB-Chef schwante nichts Gutes: „Gestik und Mimik des Bundeskanzlers waren nicht dazu angetan, hoffnungsvoll in das Gespräch zu gehen“, sagt Schulte. Ob Gerhard Schröder im Vorhinein schon von einer Ahnung geplagt wurde, dass auch die vierte Bündnisrunde so leer ausgehen würde wie die drei zuvor?

Später am Sonntagabend jedenfalls präsentierte sich ein Bundeskanzler der Presse, dem die Zornesfalten zentimetertief in die Stirn gebrannt waren, und ratterte das Ergebnis der dreieinhalbstündigen Beratungen herunter: Beim Ausbildungskonsens „durchgehend Erfreuliches“. Seit September seien 13.000 neue Lehrstellen geschaffen worden, rechnerisch hielten sich Angebot und Nachfrage die Waage. Das Zwei-Milliarden-Mark-Jobprogramm für Jugendliche werde weitergeführt. Pause. Ende der erfreulichen Mitteilungen. Ansonsten ist man keinen Schritt weitergekommen im Bündnis für Arbeit. Aber: „Uns ist es wirklich ernst.“ Und deswegen trifft sich die Runde wieder. Am Tag vor Heiligabend soll es zum fünften Mal heißen: Gerhard Schröder bittet zum Tee.

Nur die Gewerkschaften glauben, dass der 23. Dezember ein ganz großer Tag wird. „Ich bin zuversichtlich, dass Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften eine Regelung finden“, meint Schulte. Sein Konterpart Dieter Hundt wollte nicht als Buhmann dastehen, sagte aber, er hege „deutlich weniger Hoffnung“.

Gestritten hatten sich die beiden Seiten über die Frage, wie es möglich wäre, betagte Arbeitnehmer früher als mit 65 Jahren in Rente ziehen zu lassen. Dass für ein solches Unterfangen eine langfristige Tarifpolitik vonnöten ist, hatten DGB und Arbeitgeberverband BDA bereits in der dritten Bündnis-Runde eingesehen und sogar ein gemeinsames Papier dazu verfasst. In den vergangenen fünf Monaten konnte man sich nicht darüber einig werden, ob die Rentenabschläge, die bei einem früheren Ausscheiden fällig werden, aus einem Branchen-Tariffonds abgegolten werden sollen oder durch betriebliche Regelungen.

Den Arbeitgebern sei zudem eine freiwillige und gesetzesunabhängige tarifvertragliche Regelung für die frühere Pension wichtig gewesen, kolportierten Bündnisteilnehmer gestern. Die IG Metall habe aber eine gesetzliche Regelung gewünscht. Und zwar sofort. Dies wiederum habe die Arbeitgeber das Fürchten gelehrt: Streiken Zwickel und Co. demnächst statt für mehr Lohn für eine frühere Rente? Und kann jeder mit 60 zu seinem Boss gehen und die Frührente verlangen?

Niemand in der Sonntagsrunde wollte nachgeben. Der Vorschlag, die Regierung könne doch zeitgleich zu den Tarifverhandlungen, die im Januar für die Metallbranche beginnen, eine Kabinettsvorlage erarbeiten, fand offensichtlich kein Gehör. Von einer solchen Parallel-Lösung wollte auch der Kanzler nichts wissen. Die Regierung möchte erst dann Gesetze ändern, wenn sich die Tarifparteien über einen frühen Arbeitsausstieg einig geworden sind.

Bis zum 23. Dezember soll eine Arbeitsgruppe klären, ob es nicht doch zu einer gemeinsamen Haltung bei der Rente kommen kann. Eine Hürde dürfte auch die Wiederbesetzungsklausel sein. Klar ist wohl, dass nicht alle Stellen, die von Älteren geräumt werden, auch wieder besetzt werden können.

Im Bündnis waren auch am Sonntag Beschlüsse gefragt, die niemandem weh tun. So erneuerten alle Beteiligten ihr Versprechen, mehr für arbeitslose Jugendliche zu tun. Wie erwartet einigte sich die Runde auf Modellversuche für staatlich bezuschusste Niedriglöhne. Ausgewählt wird je ein Versuchsort im Westen und im Osten. Auf drei Jahre sind die Modelle angelegt. Dann soll Bilanz gezogen werden.

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