Die geheimen Seiten des Älterwerdens

Als einsame Ärztin verliebt sich Christiane Hörbiger in ihren Gigolo und zahlt dafür den „Preis der Sehnsucht“ (20.15 Uhr, ARD)

Sie ist attraktiv – aber eben nur noch für ihr Alter. Sie wird gebraucht – jedenfalls in ihrer Arztpraxis. Sie hat Familie – auf dem Papier. Die Ärztin Petra Klinger ist einsam und vom Leben desillusioniert. „Kühl bis ins Herz, damit es nicht mehr schmerzen kann“, will die frisch Geschiedene ihr Leben nun führen und sucht sich über eine Zeitungsannonce einen Callboy. Der Pole Aleksander schenkt ihr ein paar zärtliche Stunden – gegen 500 Mark in bar.

Christiane Hörbiger spielt die Ärztin Petra Klinger mit bemerkenswert viel professionellem Mut: Über weite Strecken buchstäblich ungeschminkt offenbart sie uns die geheimen Seiten des Älterwerdens: Die Sehnsucht nach dem Glück lässt mit den Jahren nicht nach. Das Verlangen verliert lediglich seine Naivität. Wird skeptischer, verletzlicher, kompromissbereiter. Nur zögernd gewinnt Aleksander deshalb Petras Vertrauen, zunächst behält die lebenserfahrene Frau die Kontrolle über dieses Geschäftsverhältnis. Kaum aber, dass sie ihre Vorsicht abgelegt hat, geschieht auch schon das Unglück: Petra verliebt sich in ihren Callboy.

Sylvester Groth spielt den Gigolo Aleksander als durchaus sympathischen jungen Mann. Solange sich die behutsame Inszenierung von Christian Görlitz („Freier Fall“) auf dieses ungleiche Paar konzentriert, gelingt ein schmerzhaft schöner, wenngleich unabwendbar trauriger Film. Denn schon früh lässt sich erahnen, dass Petra am Ende ihre Contenance verloren haben wird, dass diese selbstständige Frau schließlich völlig schutzlos ihren Gigolo anfleht: „Ich brauche nichts so sehr wie deine Wärme.“

Leider traut sich das Melodram nicht zu, allein aus dieser kammerspielartigen Paarkonstellation ausreichend dramatisches Kapital zu schlagen. So schiebt Drehbuchautor Johannes Reben viel zu schnell zwischen Aleks und Petra eine zweite Liebesgeschichte, die das absehbare, traurige Ende dieser amour fou motivieren soll: Ausgerechnet Petras Schwiegertochter Ulrike (Karoline Eichhorn) lässt in Aleksander den Glauben an die Liebe wieder erwachen. Über Nacht schwört er seinem Beruf ab und beginnt ein rechtschaffenes Leben als illegaler Hilfsarbeiter.

Petra erfährt von alldem nichts, denn sie wurde vom Autor herzkrank ins Hospital abgeschoben. Als dürfe sich doch kein Fernsehspiel ausschließlich mit der Erotik des Alters beschäftigen, geht es nun wieder nur um die sattsam bekannte Frage: Werden die beiden jungen Leute sich wohl kriegen? Das großzügig gespendete Talent von Christiane Hörbiger wirkt in diesem Film schließlich so wie die Liebe ihrer Heldin Petra: verschwendet. Klaudia Brunst