Nationalbankchef erntet politisches Kapital

Der parteilose Chefbanker Isarescu soll als Übergangspremierminister Rumänien führen

Bukarest (taz) – In Rumänien zeichnet sich eine Lösung der politischen Krise ab. Staatspräsident Emil Constantinescu ernannte am Donnerstagabend den Nationalbankchef Mugur Isarescu zum Kandidaten für das Amt des Premierministers. Er soll bis Montag ein neues Kabinett zusammenstellen und ein Regierungsprogramm vorlegen. Der abgesetzte Premierminister Radu Vasile legte derweil gestern eine schriftliche Rücktrittserklärung vor. Er erhielt im Gegenzug den Posten des Generalsekretärs der Bauernpartei zurück und wird außerdem Präsident des Senats, der oberen Kammer des rumänischen Parlaments.

Zur Nominierung des parteilosen Isarescu als Premierminister sagte Staatspräsident Constantinescu in einer Fernsehansprache, er sei der richtige Mann, um die Wirtschaftskrise des Landes in den Griff zu bekommen. Der 50-jährige Isarescu arbeitete vor dem Sturz des Diktators Ceaușescu 1989 am Bukarester Institut für Weltwirtschaft. Im September 1990 wurde er Gouverneur der rumänischen Nationalbank. Seinen Posten rettete er seitdem über alle politischen Wirren und häufigen Regierungswechsel hinweg. Er ist damit Rumäniens dienstältester öffentlicher Funktionär. Im Dezember letzten Jahres erhielt er ein neues Mandat als Chef der Nationalbank bis Ende 2004.

Isarescu stammt aus der Technokraten-Generation, die den Größenwahn Ceaușescus ablehnte und in den Nischen der Diktatur Karriere machte. Mit öffentlichen politischen Meinungen und Optionen hielt er sich auch nach 1990 stets zurüeck. Zu seinen Leistungen zählt, dass er trotz der seit Jahren andauernden schweren Wirtschaftskrise Rumäniens Zahlungsfähigkeit kontinuierlich bewahrte. Dafür genießt er auch im Ausland Ansehen. Kritiker werfen dem Nationalbankchef vor, dass er zu wenig getan habe, um den rumänischen Bankensektor zu restrukturieren und die Geschäftsbanken zu disziplinieren, obwohl er über Praktiken wie illegale Kreditvergabe informiert gewesen sei.

Isarescu dürfte während seiner kurzen Amtszeit als Premier, die zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im nächsten Herbst ausläuft, wenig Chancen haben, die Wirtschaftskrise in Rumänien zu bewältigen. Entgegen seinem Wunsch steht er einer parteipolitischen Regierung vor. Die Koalitionsparteien sind zerstritten und werden ihm im Wahljahr vermutlich wenig Spielraum lassen, mit einer Spar- und Privatisierungspolitik die Wirtschaftskrise zu lösen. Isarescu hat sich ausbedungen, nach dem Ende seiner Amtszeit als Premier wieder auf den Posten des Nationalbankchefs zurückzukehren. Keno Verseck

Debatte Seite 12