Soundcheck

Heute: Zentrifugal. Jeder liest für sich allein – schweigend zumeist. Eine zwar selbstverständliche, aber doch nur kurze Tradition sei das, findet Bastian Böttcher, der mit DJ Loris Negro das Duo Zentrifugal bildet, und erinnert: „Lyrik ist etwas, was man hören sollte. Texte wurden ursprünglich mündlich überliefert, und es ist ja erst ein Phänomen der neueren Zeit, stumm zu lesen.“

In der deuschen Slam-Poetry-Szene ist Bastian Böttcher bislang vor allem als notorischer Preisegewinner aufgefallen. In seinen Sprechtexten finden der Wortrhythmus des HipHop, ein engmaschiges Netz gereimter Wortbezüge und frei diffundierende Bedeutungen zueinander. Zu seinem Textstil fand Böttcher über das Freestylerappen mit Freunden in seiner Bremer Heimat. Und dass er nicht nur auf dem hohen Niveau avancierter HipHop-Texte einstieg, sondern nebenbei auch die Kategorien von U- und E-Musik, von Hoch- und Subkultur ins Fließen brachte, ist Böttcher nur recht. Mehr mit Stolz als mit Verwunderung stellt er fest: „Einerseits fand die FAZ unsere neue Platte ,künstlerisch wertvoll', während wir für die Bravo als ,hitverdächtig' galten.“

Poetryslammern der ersten Generation wäre das noch peinlich gewesen. Sie verstanden sich meist als „außerliterarische Oppostition“. Die Alkolholexzesse Charles Bukowskis bewundernd, handelten ihre Texte vom Freud und Leid der Randexistenz. „Straßenjargon zu benutzen, ist offenbar wohltuend und befreiend, Talent aber ersetzt es nicht“, höhnte einst der Spiegel über die Lotterbuben unter der ersten Slammer-Generation. Unter seinen Vorgängern bewundert Böttcher eher die feinen Konnotationen eines Max Goldt.

Inzwischen ist er selber als Referent und Aufbauhelfer gefragt. In seiner Heimatstadt Bremen gab er im letzten Jahr ein Seminar für HipHop-Kids. Inwieweit man Kreativität allerdings lehren kann, darüber ist sich Böttcher selbst nicht ganz im Klaren. „Wir haben da auch über alte Stilmittel aus der Antike und der Rhetorik gesprochen wie Jamben, Alliteration und Vokalwechsel. Ich selbst hab' mich da zunächst eher gefühlsmäßig mit beschäftigt und bei meinen Texten meist erst im Nachhinein festgestellt: Ey, da steckt ja eine verdammte Systematik dahinter.“ Nils Michaelis

20 Uhr, Schlachthof