Italiens Regierung zurückgetreten

Die Koalition verliert kleinere Partner. Dennoch soll sie – mit verlässlicheren Partnern – erweitert werden, und das wieder unter Regierungschef D’Alema ■ Aus Rom Werner Raith

Wie bereits absehbar, hat Italiens Ministerpräsident Massimo D’Alema unmittelbar nach der Verabschiedung des Haushalts 2000 seinen Rücktritt erklärt. Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi hat ihn bis zur Bildung einer neuen Regierung mit der Fortführung der Amtsgeschäfte beauftragt und will noch vor Weihnachten seine Konsultationen für einen neuen Regierungsauftrag abschließen – der mit großer Wahrscheinlichkeit wieder an D’Alema gehen wird.

Der bisherige Amtsinhaber sucht mit seinem Schritt offenbar der Formierung seiner Gegner in der bisherigen Koalition aus Linksdemokraten, Volkspartei, Neosozialisten, Grünen und der Republikanischen Union zuvorzukommen. Zwei der kleineren Partner im Bündnis, die Republikaner um den ewig nörgelnden früheren Staatspräsidenten Francesco Cossiga – der vor einem Jahr D’Alema in den Sattel gehoben hatte, um den damaligen Regierungschef Prodi loszuwerden – und die Neosozialisten hatten immer wieder eine Regierungskrise an die Wand gemalt: In altgewohnter Manier beabsichtigen sie bei einer Neuformierung des Bündnisses mehr Posten und Finanzen für sich herauszuholen; zudem möchten sie eine Amnestie für den zu hohen Gefängnisstrafen verurteilten ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi durchdrücken – was bei den Bürgern jedoch auf starken Widerstand stößt. So sieht es nun eher danach aus, dass D’Alema die Republikaner und Sozialisten außen vor lassen, dafür aber die bisher nur lose mit seiner Allianz verbundene, vom derzeitigem EU-Präsidenten Romano Prodi gegründete Demokratische Partei in die Regierung aufnehmen wird. Numerisch bedeutet das im Abgeordnetenhaus zwar eine gewisse Schwächung; es könnte aber ein Bündnis mit verlässlicheren Partnern sein. Allerdings sind bisher noch nicht alle Mitglieder der Demokratischen Partei für eine direkte Regierungsbeteiligung gewonnen: der frühere Oberermittler in Sachen Korruption, Antonia di Pietro etwa, Führungsmitglied der Partei, will die Regierung lieber weiter nur unterstützen als sich in die Kabinettsdisziplin einbinden zu lassen.

Jedenfalls kursieren bereits die ersten Listen mit neuen Ministeriumsaspiranten. Wie es aussieht, werden einige bisherige Amtsinhaber geopfert oder versetzt, die sich in ihrer bisherigen Tätigkeit eher positiv hervorgetan haben. So soll die derzeitige Innenministerin Russo Jervolino von der Volkspartei ihren Posten verlassen, um einem Kollegen aus der Demokratischen Partei Platz zu machen – ausgerechnet sie, die als Erste in der gesamten EU wenigstens in Ansätzen fortschrittliche Einwanderungsgesetze durchgedrückt, das Flüchtlingselend des Kosovokrieges mit weit schauenden Vorbereitungen gelindert und in der inneren Sicherheit ansehnliche Erfolge erzielt hat. Auch Kulturministerin Giovanna Melandri soll aus ihrem Ministerium verscheucht werden: Sie hatte sich mit den Mächtigen des Vatikans und mit dem römischen Oberbürgermeister Rutelli wegen deren Bauwut zum Heiligen Jahr angelegt, und auf diesem Gebiet wünscht D’Alema keinen Streit mehr.

Die Rechtsopposition sieht die Regierungskrise als „reine Kosmetik“ und fordert „sofortige Neuwahlen“ – allerdings eher in der Gewissheit, dass diese nicht kommen werden. In knapp eineinhalb Jahren stehen ohnehin Neuwahlen an. Bei den letzten Nachwahlen vor vier Wochen hatte die Opposition schließlich alle fünf Parlamentssitze den Linken überlassen müssen. So hofft D’Alema noch vor Weihnachten zumindest in Umrissen sein neues Kabinett und sein leicht modifiziertes Programm präsentieren und spätenstens zu Neujahr eine neue Regierung im Parlament absegnen lassen zu können – wenn nicht, wie in Italien durchaus möglich im letzten Moment doch noch das alte Laster des Königsmords in einer Partei die Überhand gewinnt.

Kommentar Seite 12