Parks, Hügel, Cafés, Emil und Gedichte

Parole Erich“? Kurz vor seinem Jahresende widmet Arte dem „lächelnden Moralisten“ Erich Kästner noch einen Themenabend

An Silvester geht ja in diesem Jahr einiges zu Ende. Was vielleicht vergessen wird: Das Kästner-Jahr 99, in dem des Dichters hundertster Geburtstag mit zwei neuen Biographien, neuen Filmen und Ausstellungen gefeiert wurde.

Damit das nicht ganz unter den Tisch fällt, zeigt Arte heute einen ganzen Kästner-Themenabend: mit der legendären „Emil“-Verfilmung von 1954 (nach einem Drehbuch Billy Wilders), einer Dokumentation von Heinrich Breloer aus dem Jahre 1986 und Siegfried Schneiders aktueller „Geschichte eines lächelnden Moralisten“ über das Leben des Dichters.

Schneiders Doku bleibt zwar recht klassisch und beschaulich, zeigt unaufregende Bilder vom alten Dresden, Fotoporträts von Kästners Eltern, Sequenzen mit Parks, Hügeln und Cafés, die mit Kästner-Gedichten über Parks, Hügel und Cafés unterlegt werden. Aber einiges ist dann doch sehr schön – etwa, dass Schneider eine Schulklasse mit japanischen Drittklässlern gefilmt hat, die mit verteilten Rollen „Emil und die Detektive“ lesen und höchst melodiös und beinah unverständlich so Sachen sagen wie „Du kommst wohl nicht aus Wilmersdorf?“ – „Nein ich bin aus Neustadt und komme gerade vom Bahnhof.“

Und in der Erich-Kästner-Schule in Zehlendorf berichtet ein Mädchen im engen orangenen Pullover, dass ihr „‚Das Doppelte Lottchen‘ sehr gut gefallen“ hat, und ihr Direktor sagt: „Erich Kästner ist bei uns immer dabei.“

Erich Kästner war auch zu Lebzeiten in Deutschland „immer dabei“. Will sagen, er blieb auch, als die meisten seiner Kollegen das Land verlassen hatten. Und so ist es der beeindruckendste Moment der Dokumentation, wenn Kästner im Interview beschreibt, wie er sich 1933 zusammen mit einem Freund an der Berliner Weidendammer Brücke der Nazi- und Studentenbewegung anschloss, die sich auf den Weg machte, auch die Werke Erich Kästners zu verbrennen. „Wenn die da schon meine Bücher verbrennen, will ich auch mit dabei sein“, sagte Kästner.

Dass er auch später blieb und neben heiterer Erbauung auch das Drehbuch für den Ufa-Durchhaltefilm „Münchhausen“ schrieb, hat er in einem weiteren Gespräch begründet: „Ich war damals der Meinung, ein politisch engagierter Schriftsteller müsse bleiben, um Augenzeuge zu sein und eines Tages Bescheid zu wissen.“ Dass er von diesem „Bescheidwissen“ literarisch keinen Gebrauch mehr gemacht hat, ist ihm oft vorgeworfen worden. Kästner ging lieber demonstrieren, das Schreiben schien ihm nicht mehr am Platz: „Wenn man literarische Skepsis entwickelt“, sagt er im Gespräch, „bleibt der direkte Weg übrig in die Öffentlichkeit. Wenn man daran glaubt, muss man den Weg gehen, auf die Straße.“

Mit solch schönen Aufbruch-Statements kann das Kästner-Jahr 99 doch ganz gut ausklingen.

Volker Weidermann

Arte-TA „Parole Emil!“: „Emil und die Detektive“ (Spielfilm, 20.45 Uhr); „Die Geschichte eines lächelnden Moralisten“ (Doku, 22.15 Uhr); „Das verlorene Gesicht“ (Doku, 23.10 Uhr)