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Strike a Pose, zwei Stunden lang

Marlene lieben oder Marlene leben: James Beaman imitiert mit „Black Market Marlene – A Dietrich Cabaret“ im BKA-Theater

Imitatoren jedweder Art haben einen eigentlich recht frustrierenden Job: Der Applaus gilt letztlich der Leistung, einen anderen Künstler so perfekt wie möglich kopiert zu haben. Sie werden nur deshalb beklatscht, weil das Original nun mal eben nicht zur Verfügung stand. Je mehr sie vergessen lassen, dass nicht sie auf der Bühne stehen, sondern das weitaus berühmtere Vorbild, umso größer der Jubel. Ganz schön tragisch, wenn man's genau bedenkt.

Dieses Schicksal teilen die Barbra Streisands, Elton Johns und Tina Turners allabendlich in „Legends in Concert“ im Hotel Estrel mit Judy Winter, die man im Renaissance-Theater in „Marlene“ feiert. Auch Katja Nottke tingelt Jahr um Jahr mal als Edith Piaf, mal als Zarah Leander, aber nur selten als sie selbst. So ein Künstlerschicksal müsste fast zwangsläufig zu Depressionen führen.

Wenn hingegen Männer in Damenkleider schlüpfen und zudem noch in jene legendärer Diven, haben wir es meist mit Vollplayback und einer Überzeichung in Form der Travestie zu tun. Das ist für ein, zwei Nummern komisch, doch dann kommt nach Mireille Matthieu im allgemeinen auch schon das Judy-Garland-Double auf die Bühne.

Der New Yorker James Beaman macht das alles ganz anders. Er ist Marlene Dietrich und das den ganzen Abend lang. Jene Marlene, um genau zu sein, im legendären Smoking. Ein Wesen zwischen den Geschlechtern und damals, 1930, in „Morocco“ ein kleiner Skandal. James B. hat viel getan, um genauso auszusehen wie Marlene D. Nicht nur die Bondhaarperücke ist täuschend echt, auch die Gesten und lasziven Bewegungen hat er genau studiert. Zu genau. Einen ganzen Abend steht er auf der Bühne und gibt genau diesen einen Ausschnitt aus den vielen Gesichtern der Dietrich: die maskulin bis geschlechtslose im schwarzen Frack; der Vamp, der mit Frauen wie mit Männern flirtet.

Man kann sich gut vorstellen, wie Beaman monatelang vor dem Spiegel übte. Den Blick gerade aus ins Selbstbildnis als deutsche Dame und immer wieder nach rechts, wo der Videorecorder mit den Songsequenzen aus „Foreign Affair“ und „Blonde Venus“ auf Endlosschleife lief. Seine Show „Black Market Marlene“ ist leider so ähnlich geworden: Eine Endlosschleife aus Körperhaltungen.

Strike a pose, zwei Stunden lang. Beaman singt, begleitet von drei Musikern, Songs der Marlene, vom „Koffer in Berlin“ und „Falling In Love Again“ bis hin zu einigen abgelegeneren jenseits der abgeleierten Hits.

Doch Beaman erzählt keine Geschichte; er moderiert nicht einmal, sondern singt Lied um Lied selbstverliebt in die Perfektion seiner Imitation. Repetiert eine Momentaufnahme aus vielen tausend verschiedenen Gesichtern der Dietrich. Auf die Dauer ist das reichlich wenig. Keine ironische Brechung, keine Überspitzung des Personenkults, keine Weiterentwicklung des Materials, wie es hierzulande etwa Georgette Dee oder Tim Fischer gelungen ist. Dafür ein Nichts an Dramaturgie und zu wenig Stimme.

Die echte Marlene erschien zwar kühl und reduziert in ihrer Performance, aber sie hatte etwas, das genau diese Leerstelle um sie herum ausfüllte: Aura und Persönlichkeit. Die fehlt Beaman leider ganz, weil er Marlene zwar liebt, aber nicht lebt. Genau dieses entscheidende Detail macht den Erfolg der Judy Winter aus und auch den von Dominique Horwitz mit seinem Jacques Brel.

In den USA, so kann man vermuten, reicht das schlichte Abbild der Legende, um für Begeisterung und Bühnenpreise zu sorgen. Gerade für Berlin aber ist das ein bisschen wenig. Axel SchockBis 15. Januar, Mi – So, 20 Uhr, BKA, Mehringdamm 34

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