Geschenktips der Redaktion
: Spätkauf

Frühstücksglück

Es gibt sie noch, die Geschenke für die Ewigkeit. Schluss ist’s mit dem Weihnachtspräsent für die schnelle Freude: Heute begeisternd, morgen vergessen. Wir sollten in diesem Jahr alle ein echtes Sammlerstück verschenken. Ein einmaliges, exklusives, nummeriertes, limitiertes Sonderexemplar unserer allmorgendlichen Frühstücksfreude im Glas. Scheinbar endloses Morgenglück, riesige Schokoladenträume in Rot und Gold. Eine glanzvolle Vorbereitung auf unvergessliche Millenniumsfrühstücke bis zum Ende des übernächsten Jahrtausends.

Ja. Wir sollten alle eines der einmaligen Millenniumsgläser von Nutella verschenken. 2.000 Gramm Wohlgeschmack. Mit goldenem Deckel und mundgeblasener 2000, die geschmackvoll ins Glas eingelassen wurde. Und der exklusiven Produktionszahl, die auf goldenem Grund zu lesen steht. Im Moment bewegen wir uns schon im Hunderttausender-Bereich, so kann man lesen. Wir können alle noch dabei sein, im Klub der Nutella-2000-Besitzer. Wenn wir uns jetzt noch eines der letzten Millenniumgläser sichern. Nur noch im ausgewählten Fachgeschäft. Für 13,95 DM. vw

Last-Minute-Flugticket

Wenn Weihnachten das Fest der Besinnung ist, so ist Silvester meist das genaue Gegenteil. Ein schönes Geschenk wäre es – gerade in diesem Jahr –, die Zeit der Besinnlichkeit noch ein wenig ausdehnen zu dürfen, und zwar bis ins neue Jahr hinein: mit einem Flugticket für eine Fernreise, irgendwohin in die nicht christliche Welt, fernab des Millenniumstrubels. In Katmandu oder Timbuktu, ja selbst in Tokio dürfte zum Jahrtausendwechsel (nach Gregorianischem Kalender) alles ruhig und gelassen bleiben. Bestenfalls ein paar unverdrossene Exileuropäer werden dann ein paar Böller in die Luft jagen, während sich andernorts die Innenstädte von Berlin, London oder New York über Nacht allmählich in ein Bürgerkriegsgebiet à la Beirut verwandeln und Jerusalem und Rom von randalierenden Pilgermassen in Schutt und Asche gelegt werden. Islamische Länder allerdings gilt es zu meiden: Dort wird derzeit der Fastenmonat Ramadan begangen, mit erheblichen Einschränkungen im kulinarischen Angebot (zumindest in der Tageszeit) ist daher zu rechnen. Und so viel Verzicht muss dann ja auch wieder nicht sein. baxBangkok ab 820 DM, Tokio ab 839 DM, Katmandu ab 995 DM. Alle Angebote ab Berlin

Tücher

Wer jetzt noch kein Geschenk für Tante Eva hat, der findet jetzt auch keines mehr? Aus dieser Notlage bieten zumindest im Berliner KaDeWe immer noch die Wühltische mit den Tüchern (reine Seide!) Rettung an. Zwischen 29 DM und 198 DM findet sich da bestimmt das eine oder andere passende Geschenk – gerade für die problematische Gruppe, die schon ein Buch hat und Vasen ohne Ende.

Ein Tuch kann solche Dame immer brauchen. Und wenn nicht immer, dann doch immer öfter. Ein Tuch macht sich dekorativ auf dem Gabentisch, wenn der Schenker einigermaßen Geschmack hat. Selbst einen Missgriff kann die Tante ohne großen Aufwand wegstecken. Der gute Wille ist dem Geschenk selbst noch bei schlechtem Geschmack (egal auf welcher Seite) anzusehen. Bei dieser Gelegenheit kann man auch schon mal erste Erfahrungen mit der Tante in sich selber sammeln. Auch nicht uninteressant. Sogar als Brief verschickt hätte ein Tuch noch reelle Chancen, pünktlich unterm Weihnachtsbaum anzukommen. Es wiegt nicht viel und kostet also wenig Porto. Als Luftpostbrief schaffte es das Tuch sogar noch vor dem Jahreswechsel in die USA oder nach Kanada. Falls dort auch noch unbeschenkte Tanten wohnen. slev

Reisesagen

An Weihnachten CDs zu verschenken, empfiehlt sich schon aus einem ganz bestimmten Grund: Bei Nichtgefallen hat der Beschenkte wenig Mühe, sie dennoch in irgendeinem Winkel zu verstauen. Es reicht ja eine Schublade. Bei all den Vasen, Kerzenleuchtern und Bildbänden, die sonst gerne geschenkt werden, wenn man nicht weiß, was der zu Beschenkende wirklich will, ist das schon schwieriger.

Eine CD also. Nur welche? Musik-CDs wirken oft beliebig, bieder und banal. Eine Hörbuch-CD dagegen macht schon was her. Die von Hans Magnus Enzensberger herausgegebene CD „Nie wieder! Die schlimmsten Reisen der Welt“ hat zudem den Vorteil der Originalität. Reportagen großer Reisender wie Ryszard Kapuscinski, Paul Theroux und natürlich Bruce Chatwin werden darauf vorgelesen. Texte von Claude Lévi-Strauss, Evelyn Waugh, Norman Lewis und ein paar anderen sind auch noch dabei. Die Sprecher sind gut. Schnickschnack wie etwa Musikuntermalung oder Geräusche gibt es keine. Enzensberger selbst liest ein hübsches, kleines Vorwort vor, und das Booklet enthält nette Zeichnungen.

Eine runde Sache. Kann man beim Schenken wenig mit falsch machen. Weil hier nämlich zum Behagen, etwas nicht selbst lesen zu müssen, sondern vorgelesen zu bekommen, auch noch die Lust hinzu kommt, von schlimmen Vorfällen an allen verwunschenen Flecken der Erde zu erfahren, ohne selbst sein Wohnzimmer verlassen zu müssen. Impfungen braucht man auch nicht. drkHans Magnus Enzensberger: „Nie wieder! Die schlimmsten Reisen der Welt“. 2 CDs, Eichborn Verlag, 49,80 DM

Ein Barrel Schweröl

Letzte Woche ist der maltesische Tanker „Erika“ vor der Bretagne auseinandergebrochen. Nun werden zehn- bis zwölftausend Liter Schweröl aus dem Schiffswrack fließen und je nach Wind und Wetter an der französischen Küste anlanden, irgendwo zwischen La Rochelle und Biarritz. Jedes Jahr passieren solche Katastrophen, mal in der Nordsee, dann sind Halligen und Robbenbänke gefährdet, und mal im Atlantik, dann dauert es eine Weile länger, bis der schwarzbraune Schmodder einen Strand, eine Insel oder irgendwelche Vogelbrutstätten verpestet. Allein von 1983 bis 1993 flossen bei vierzig Tankerhavarien etwa drei Millionen Tonnen Rohöl in die Weltmeere, so steht es im Statistischen Jahrbuch. Das Fernsehen zeigt dazu Bilder von verklebten Tieren, die im Ölschlamm verrecken. Schön ist das nicht. Nur, was soll man tun?

Zu Weihnachten ein Barrel Schweröl verschenken vielleicht. Das sind 160 Liter, abgefüllt in einem formschönen Blechflacon. Damit ist zwar kaum den französischen Naturschützern geholfen, die jetzt warten, bis sie mit der Schippe ausrücken können, um die giftigen Reste wegzuputzen. Aber mit dem rostigen Fass hat man das von Menschenhand gemachte Problem einmal nicht bloß in der „Tagesschau“, sondern bei sich zu Hause, unterm Weihnachtsbaum, in der guten Wohnstube. Das Monstrum sorgt für Gesprächsstoff während der Feiertage: über Wirtschaftswachstum, Globalisierung und Umweltverschmutzung, womöglich wird sogar mehr draus – gerade in einem Land, das einen Autokanzler sein Eigen nennen darf, bei dem Modernisierung vor allem schwer nach Schadstoff riecht. hfEin Barrel Öl kostet 24,51 Dollar

Kriegsspielzeug

1977 war Kriegsspielzeug nicht okay. Darum hatte ich auch nur einen einzigen, ziemlich kleinen Panzer. Mein Freund C. dagegen besaß Jeeps, einen Tanklastzug, Soldatenfiguren. Und einen Panzer, der richtig schießen konnte. Mit orangenen Plastikgeschossen. Ich habe C. beneidet.

Ich war damals sechs. Eines morgens steckte meine Mutter mir den Spielzeugpanzer in die Tasche. In der Stadt war vor dem Rathaus ein Tapeziertisch aufgebaut, dahinter standen junge Menschen mit langen Haaren. Es wurde Kriegsspielzeug gegen so genanntes richtiges Spielzeug getauscht. 1977 nannte man so etwas eine „Aktion“. Ich gab den jungen Leuten meinen Panzer und suchte mir etwas aus, was am wenigsten nach richtigem Spielzeug aussah. Eine Schlagerschallplatte. Die gefiel meinen Eltern auch nicht.

Selbst schuld. Damals verlor ich mein einziges Kriegsspielzeug, und immer, wenn ich heute Rudolf Scharping im Fernsehen sehe, habe ich das Gefühl, außen vor zu sein. Wie in C.s Spielzimmer. Das ist das Schicksal meiner Generation. Ich hätte darum gerne Weihnachten einen Spielzeugpanzer verschenkt. Im Kaufhaus gab es allerdings nur Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe: „Panzer haben wir nicht.“ Ich habe einen F-117 A Stealth Fighter gekauft, einen Tarnkappenbomber. Als Bausatz. Das Zusammbasteln hat großen Spaß gemacht. Das Flugzeug sieht gefährlich aus. Auf einem Radarschirm wäre es nicht zu erkennen. C. wäre neidisch. men„F-117 A Stealth Fighter“ (Revell), 14,99 DM

Urmel

Man kann natürlich ohne das Urmel aufwachsen. Aber warum sollte man? In keinem anderen Fabeltier vereinen sich fiktive und realistische Aspekte so charmant wie im Urmel. Schon als Baby viele Millionen Jahre alt, ist es nicht nur hässlich und unverschämt, sondern gerade deswegen hinreißend. Und es hat utopisches Potenzial. Das Urmel nämlich ist das Missing Link in der Entwicklung von den Dinosauriern zu den Säugetieren, wie der Autor Max Kruse mit Hilfe von Professor Habakuk Tibatong, dem Hausschwein Wutz und anderen Tieren auf der Insel Titiwu nachweist.

Auch die Urmel-Geschichte im Ganzen ist ein Missing Link: zwischen Kinder- und Jugendliteratur. Alle Figuren haben als Rollenangebote kindliche und erwachsen werdende Seiten. Ihre Sprache ist voller niedlicher Fehler, aber wenn es darauf ankommt, übernehmen sie jede Verantwortung für das gemeinschaftliche Leben. Und sie bleiben den Lesern über Jahre erhalten. Der Gegenstand drängt schließlich ins Serielle, denn wo ein Urtier die Welt entdeckt, bleibt es nicht aus, dass es irgendwann ins All fliegt, ins Meer taucht und zum Pol zieht. Neun Folgen haben Max Kruse und der Zeichner Erich Hölle seit 1970 gemacht, jetzt ist mit einem neuen (aber dem Orginal nahe stehenden) Illustrator, Roman Lang, gerade die zehnte erschienen: „Lichterbaum im Eismeer“.

Als Wackelköpfchen der Augsburger Puppenkiste wurde das Urmel zur Legende. Dennoch verkaufte Kruse Anfang der 90er-Jahre die Film- und Merchandising-Rechte an Ravensburger, was sich mit einem unangenehm propperen Wesen rächte, das statt der Stummelflügel Hemd und Hose trägt. Aber wie Ikea die Konjunktur bei Manufaktum ankurbelt, kann auch Thienemann trotz Ravensburger nicht über die Verkaufszahlen klagen. Es gibt sie noch, die guten Dinge! Und sie sind gerade zu Weihnachten so praktisch: Wer heute ein Urmel-Buch kauft, kann es vor dem Verschenken ungeniert noch selber lesen. pekoAlle Urmelbücher bei Thienemann für 19,80 DM, manche bei dtv für 10,80 DM

Böller

Macht den Spät- zum Frühkauf! Jedes Jahr kann ich’s kaum erwarten. Und immer dieses lästige nachweihnachtliche Schlangestehen, um ans günstige Aldi-Raketenset zu kommen (mindestens 25 Prozent Blindgänger) oder bei Rudis Reste Rampe den Jahresbedarf an Knallern zu decken. Und dann tun sich plötzlich diese unglaublichen Quellen auf: Einfach einen der nicht mehr ganz kleinen Jungs ansprechen, die an der nächsten Straßenecke ihr Zeugs loslassen, und sich den Weg zum Zwischendealer bzw. Feuerwerksladenprovisorium erklären lassen. Chinesische Kettenkracher (wie früher in allen Größen), Heuler zum Dumpingpreis und sogar die bei uns im Handel ansonsten kaum noch anzutreffenden kubischen Kanonenschläge (mit Kordel umwickelte Würfelknaller), alles da, in voller Pracht. Ist die polizeiliche Warnung vor polnischem Feuerwerk nicht ohnehin nur protektionistische Propaganda? Warum zum Beispiel darf bei uns nicht das original chinesische Drachenfeuerwerk importiert werden? Für multikulturelle Vielfalt, auch beim Knallen! Nieder mit der WTOisierung des Schwarzpulvermarktes!nic

Cher

„Ihre großen, ausdrucksstarken Augen spiegelten perfekt die Traurigkeit und Desillusionierung verpasster Lebenschancen“ – Robert Altman über Cher, bevor er sie zu ihrer siebten Karriere in ihrem siebten Leben engagierte, drüben in Amerika, hinter den sieben Bergen Hollywoods, wo Cherilyn LaPiere-Sarkesian aber nicht das Dornröschen gab, sondern die böse Schwiegermutter im amerikanischen Traum.

Genau deshalb ist diese Greatest-Hits-Zusammenstellung das ideale Last-Minute-Geschenk für Zimtzicken, Diven, Hypochonder und andere Biester. Man kann sich dazu die Nägel feilen, mit denen man gleich kratzen wird. Man kann es beim Powerwalking auf einem dieser amerikanischen Hometrainer hören, für die Cher zu einem der Tiefpunkte ihrer Karriere im Fernsehen Werbung gemacht hat, und sich dabei auf ganz köstliche Weise fühlen wie eine unterdrückte Hausfrau, die gleich Amok laufen wird ... nein, war natürlich nur Spaß, Leute, so etwas würde Cher nie tun. Die Disco-Relaunch-Lieder von 99 sind überrepräsentiert, was aber erstens okay ist und zweitens trotzdem jede Menge Raum lässt für die sieben restlichen Leben. Und jetzt alle: „Do you beliiiiiieve in life after love ...“ Nicht nur zur Weihnachtszeit. Camille Paglia sollte mal über Cher schreiben statt immer nur über Madonna. tgCher: Greatest Hits (WEA)

Saunaglück

Was war Schenken früher einfach. Besonders gerne erinnere ich die Geschichte von der Kopfwehmaschine, eigentlich Kopfweh-Beseitigungs-Maschine. Ein Karton, zwei Löcher, ein paar mit Filzstift gekonnt aufgetragene Armaturen und Anzeigen, und fertig war die Maschine, die das Wohlbefinden meiner migränegeplagten Mutter wiederherstellen sollte. Kein Zweifel, an mir ist ein großer Erfinder verloren gegangen. Leider funktionierte die Maschine nicht.

Dann kamen die Gutscheine, ganze Gutscheinhefte: 10-mal abspülen, 10-mal Staub saugen, 10-mal Rasen mähen – bis heute nicht eingelöst. Nicht auszumalen, sollten sich meine Eltern für eine späte Zwangsverpflichtung entscheiden.

Das erste eigene Geld brachte dann ungeahnte Möglichkeiten: Endlich konnte ich ganze Vorweihnachtszeiten in Bücher- und Plattenläden verbringen, versuchen, den konsumkritischen inneren Monolog klein zu halten, um schließlich doch mit magerer Beute und schwerem Kopf den Nachhauseweg anzutreten. Mir schenkte dann natürlich niemand eine Kopfwehmaschine.

Doch dieses Jahr wird alles anders: Bei Saturn, Dussmann, Kiepert oder Bücherbogen gilt mein selbst verhängtes Hausverbot – ich gehe lieber ins Schwimmbad. Oder in die Sauna. Im Gegensatz zu Saturn ist es dort jetzt leer.

Meinen Freunden kann ich Dauerkarten mitbringen, als Geschenk. Wohlbefindensmaschinen sozusagen. Die sind zwar teurer als Kopfwehmaschinen und zu allem Überfluss auf den persönlichen Einsatz des Beschenkten angewiesen. Aber dafür funktionieren sie vielleicht. glaes