Der Papst verhindert die Modernisierung der katholischen Kirche
: Johannes Pauls letzter großer Kampf

Viele hatten schon geglaubt, manche wohl auch gehofft, dass er nicht auch noch Weichen fürs neue Jahrtausend stellen wird. Aber der greise Karol Wojtyla hat sein Ziel doch noch erreicht: Das Heilige Jahr 2000, das größte, teuerste und imageträchtigste Giubileo aller Zeiten, ist eröffnet, die Programmatik der katholischen Kirche für zumindest die nächsten Jahrzehnte verkündet. Und so kann er hoffen, dass seine Theologie und Ideologie noch lange die neuen Grundfesten des Katholizismus bleiben werden: Es wird ja auf absehbare Zeit kein solches Spektakel mehr geben wie dieses Jubeljahr, und was er hier verkündet hat, bleibt in den Köpfen.

Seinen Gegnern hat er allerdings schon lange viel Wind aus den Segeln genommen: Zwar droht noch immer das Verdikt gegen die deutsche Schwangerschaftsberatung im Hintergrund, aber die Abtreibung als solche hat er nun nicht mehr als Mord bezeichnet; die Rolle der Frauen, die er noch vor eineinhalb Jahrzehnten ausschließlich in ehelicher Mutterschaft oder ersatzweise reiner Jungfräulichkeit erschöpft sah, hat er „modernisiert“, hin zum gleichberechtigten Äquivalent in der Arbeitswelt (allerdings nicht in der Kirchenhierarchie); das Verhältnis zu Juden und Andersgläubigen – speziell jenen anderer monotheistischer Religionen – hat er entkrampft und ansonsten ein leises, aber doch allseits gehörtes „Mea culpa“ für die Sünden der katholischen Kirche in vergangenen Jahrhunderten angestimmt.

Es ist gerade dieses bei vielen freudig aufgenommene Räumen verminten Geländes, das diesen Papst noch an seinem Wirkensende gefährlicher denn je macht: Er hat allen Angriffen die Spitze genommen und kurzfristig sogar einen Paradies-Anwärter wie Papst Pius XII. nach den neuerlichen Vorwürfen wegen seiner Nazi-Sympathien aus der Reihe in diesem Jahr heilig zu sprechender Oberhirten gefeuert.

Nun, im 21. Jahrhundert, sieht er also „seine“ Kirche frei von lästigen Hypotheken böser Verantwortlichkeit. Und das heißt für ihn: Sie kann nun wieder, fast wie im Mittelalter, zur höchsten, allein selig machenden moralischen, ethischen, und damit auch politischen Autorität dieser Welt werden. Die Papstkirche hat sich selbst die Absolution erteilt, und kaum jemand hat widersprochen. Obwohl es wahrlich viel zu widersprechen gegeben hätte. Wie es aussieht, hat er ihn gewonnen, seinen letzten großen Kampf. Seine Nachfolger werden sich noch lange ihre Zähne an den Eckpfeilern ausbeißen, die Johannes Paul II. ihnen gesetzt hat. Werner Raith