Steuergeschenke der Regierung unterstützen Großunternehmen
: Die größte unsoziale Reform

Der Bundesfinanzminister verkündet mit naiv lächelnder Miene steuerpolitische Geschenke, mit denen er die Unternehmen entlastet. Modellhaft rechnerisch geht es wieder zurück zur Verteilung der Steuerlast vor der rot-grünen Ära. Ganz so ist es allerdings nicht gekommen. Vorbereitet durch eine Steuerreformkommission, die auch der Koalitionsvertrag vorsah, wurde kurz vor Weihnachten die „größte Steuerreform aller Zeiten“ (Schröder) verkündet. Man erinnere sich: Auch Helmut Kohl charakterisierte seine dreistufige Reform zur Einkommensteuer in den Jahren 1986/88/90 so.

Im rot-grünen Programm ist der Teil zur Reform der Einkommensteuer kein Jahrhundertwerk, jedoch einigermaßen akzeptabel. Nun jedoch rüttelt die eigentliche Unternehmensteuerreform an den bisherigen Grundfesten deutscher Steuerpolitik. Nicht mehr der Unternehmer, sondern die Unternehmen sollen im Zentrum stehen. Einbehaltene Gewinne bei den Kapitalgesellschaften sollen künftig nur noch mit 25 Prozent belastet werden. Personenunternehmen können per Option auch in den Genuss dieser Privilegierung thesaurierter Gewinne kommen. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung vor allem im Bereich der beschränkten Abschreibungsmöglichkeiten sind jedoch recht gering. Die Folge ist eine massive Entlastung der Großunternehmen, weniger der kleinen und mittleren Produzenten.

Diese Steuerreform bevorteilt künftig eindeutig die Kapitalgesellschaft. Dabei ist die zu Grunde liegende Philosophie nicht einmal gewiss. Ob die höheren einbehaltenen Nettogewinne auch für Sachinvestitionen und Arbeitsplätze genutzt werden, ist eher ungewiss. Es gibt viele Gründe, die Eigenmittel auf den Finanzmärkten und/oder für Investitionsengagements im Ausland einzusetzen. Verlierer sind die Dividendenbezieher, denn künftig sollen die ausgeschütteten Gewinne nur noch zur Hälfte bei der individuellen Einkommensteuer verrechnet werden. Eine höhere Besteuerung der Dividenden von Kleinaktionären könnte folgen. Als Verlierer gelten letztlich auch die Gemeinden. Personenunternehmen dürfen nun die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer anrechnen. Anteilig verlieren die Gemeinden daher Einnahmen aus der Einkommensteuer.

Diese Steuerreform richtet sich auf die Entlastung der Kapitalgesellschaften aus. Sie nützt vor allem den international agierenden Großunternehmen und soll irgendwie die über 80 Prozent Personenunternehmen einbinden. In diese Schwerpunktsetzung passt die vorgeschlagene Änderung in § 8 b, Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz. Dies sieht bisher vor, dass nur der Verkauf ausländischer Kapitalbeteiligungen durch Unternehmen steuerfrei bleibt. Eichel will diese Steuerbefreiung ab 2001 auch auf den Verkauf inländischer Kapitalbeteiligungen ausweiten. Die profitierenden Großunternehmen konnten dieses satte Weihnachtsgeschenk erst nicht begreifen. Aber die agilen Spekulanten an den Aktienbörsen verstanden es schnell. Die Folge dieser Steuerbefreiung ist klar. Kapitalgesellschaften wie die Deutsche Bank werden sich noch schneller von ihren inländischen Unternehmensbeteiligungen trennen. So wird der Verkauf der Beteiligung an der Holzmann AG, den die Deutsche Bank ja schon seit längerer Zeit betreibt, auch noch steuerlich belohnt. Wie es im Neudeutschen heißt: Die Restrukturierung der Wirtschaft wird beschleunigt. Rapide Veränderungen der Eigentumsstrukturen der deutschen Wirtschaft sind zu erwarten. Die Gewinner sind wieder einmal die Shareholder-Value-Maximierer.

Fragt sich nur noch, warum bei der Bundespressekonferenz zur Präsentation dieser Unternehmensteuerreform im ersten Moment niemand auf diesen folgenreichen Verzicht auf Steuereinnahmen beim Verkauf inländischer Beteiligungen gekommen ist. Hat möglicherweise der Bundesfinanzminister auf einen Hinweis verzichtet, weil es nicht im Manuskript durch den Sachbearbeiter stand? Oder sollte erst einmal die erneute Vertiefung der sozialen Schieflage bei der Steuerlastverteilung verheimlicht werden? Wie auch immer die Spekulationen ausgehen – die rot-grüne Steuerpolitik ist bei der Großwirtschaft und ihren Shareholder-Maximierern angekommen. Rudolf Hickel

Professor für Finanzwirtschaft, Universität Bremen