Papst öffnet die Heilige Pforte von St. Peter

Ein gebrechlicher alter Mann kann und will auf die Weltinszenierung zum Millenniumsjahr nicht verzichten. Die Kirche erhofft sich durch einen neuen Ablasshandel eine wundersame Geldvermehrung ■ Aus Rom Werner Raith

Nun ist sie also endlich offen, die Heilige Pforte von Sankt Peter: Das lang erwartete, mit einem gigantischen Presserummel vorbereitete „Heilige Jahr“ (Giubileo) hat in der Nacht zum 25. Dezember begonnen. Bis zum 18. Januar werden auch in den anderen drei „Patriarchalbasiliken“ die entsprechenden Türen aufgetan, in Santa Maria Maggiore, San Giovanni in Laterano und San Paolo fuori le mura – und zwar, was es bisher nie gab, allesamt durch den Papst eigenhändig. Nur die 25 Jahre geschlossene Mauer stemmte der Papst nicht selbst auf, sondern legte nur die Hände auf die Türgriffe, wonach sich die Flügel auftaten.

Warum man sogar die traditionellen drei Hammerschläge auf das Holz gestrichen hatte, erkannten die Gläubigen schon bald nach Beginn der Zeremonie: „Man konnte gar nicht mehr hinsehen“, barmte eine Ursulinenschwester während des Ritus, „so gebrechlich ist der Heilige Vater geworden“. Selbst hartnäckige Gegner dieses Papstes fühlten während der Fernsehübertragung nur noch unendliches Mitleid mit einem Mann, der trotz schwindender Kräfte unbedingt noch diese Weltinszenierung durchführen wollte – mit sich selbst im Mittelpunkt. Selbst die auf ein Minimum reduzierten zwei Stufen zu seinem Thron in der Vorhalle des Petersdoms bewältigte er nur nach minutenlanger Hilfe durch zwei Assistenten. Und als er nach Öffnung der Pforte niederkniete, hielt die Welt den Atem an – es sah aus als sacke er in sich zusammen.

Böse Ironie der Geschichte: Gerade dieser medienbegeisterte, ganz auf die showmäßige Darstellung seiner Krirche bedachte Oberhirte von fast einer Milliarde Katholiken wird nun just durch diese Medien erbarmungslos in seiner ganzen Hilflosigkeit dargestellt. Seine Helfer müssen ein ums andere Mal versichern, dass auch „ein körperlich gebrechlicher Papst ein starker Hirte sein kann“. Seine Redenschreiber suchen das in kräftigen Sätzen und überraschenden Wendungen seiner Predigten zu erhärten. Die Besonderheit diesmal: Neben der Verdammung von Krieg und Gewalt fehlte, zum ersten Mal, die vordem stets im gleichen Atemzug aufgeführte Abtreibung als „Mord“.

Dennoch beschleicht so manchen das Gefühl, dass das Mitleid mit diesem fast tonlos gewordenen Nachfolger Petri „bereits wieder erfolgreich für die katholische Kirche instrumentalisiert wird“, wie ein Hörer von Radio Uno bemerkte: „Es lenkt ab davon, dass die ganze Inszenierung des Heiligen Jahres ja vor allem darauf abzielt, die Kassen der Kirche wieder zu füllen.“ Viele Besucher kommen wohl vor allem, um diesen Papst noch einmal zu erleben: Schließlich gilt er vielen ja als der Überwinder des Kommunismus, als Herold der Freiheit und neuerdings auch als Erzengel der Friedenssuche. Und steht so im Ruch, in nicht allzufernen Zeit heilig gesprochen zu werden. Das mit dem Anlocken zusätzlicher Pilger liegt wohl so weit nicht entfernt von der Wahrheit. Mit Schrecken hat der Vatikan die neuesten Hochrechnungen über Rom-Reisende zur Kenntnis nehmen müssen. Hatte man in den 90er Jahren noch mit 40 Millionen Besuchern gerechnet, wurde die Prognose Mitte 1999 auf 28 reduziert, jetzt neuerdings gar auf 22 Millionen – und davon mehr als die Hälfte eher arme Schlucker und Rucksacktouristen.

Darum rücken die Vatikan-oberen mittlerweile auch wieder von der 1998 vollmundig verkündeten Runderneuerung der Ablassvorschriften ab. War damals nur die Romreise und das betende, sündenbereuende Durchschreiten der Heiligen Pforte als Voraussetzung für einen vollkommenen Sündennachlass im Vordergrund gestanden, so tauchen neuerdings auch wieder die „mildtätigen, gottgefälligen Werke“ auf, derer man sich befleißigen sollte. Hofprediger Tetzel, einst Anlass zur Reformation Martin Luthers, lässt grüßen.

Skeptiker des Heiligen-Jahr-Rummels haben das so kommen sehen – spätestens seit die Oberen von Sankt Peter unmissverständlich klar gemacht haben, dass dies „ein katholisches Fest“ sei, und damit alljene christlichen Kirche de facto ausgeschlossen haben, die nicht papsthörig sind. Der einzige ökumenische Gottesdienst ist eine eher private Initiative der Deutschen Kirchengemeinden in Rom.