Schiffbrüchige Gastlichkeit

Das architektonisch ambitionierteste, also hässlichste Hotel der Hauptstadt gleicht, von außen wie von innen, einem gekenterten Tanker, auf Grund gelaufen am längeren Ende der Sonnenallee. Eine ölige Revue rundet das Bild vom Gastro-Klotz als Tummelplatz neureicher Neurotiker: Bei „Stars in Concert“ treten im „Estrel“ Gestalten auf, die das Leben nur deshalb auf die Bühne geschubst hat, weil sie ab 50 Meter Entfernung entfernt an Tina Turner erinnern. Oder an Elton John.

Nun nahmen die Herren Hotelmanager auch noch die letzte Tasse aus dem Schrank und spendierten ihrem Hotel die Hymne, die es verdient: „At The Estrel“ klingt, als hätten gedungene Musikanten „Do They Know It’s Christmas“ (Band Aid) und „Sail Away“ (Joe „Beck’s“ Cocker) zusammengekippt, gut gerührt, dann versehentlich umgestoßen und die Soße schließlich auf dem Fußboden trocknen lassen. Von klebriger Konsistenz sind auch die Lyrics, mit einem Chorus wie in Kaugummi gemeißelt: „At the ESTREL, you’ll find a friend at your journey’s end“, solange das Konto gedeckt ist. Sämiger Ausfluss verschwitzter Vorstandssitzungen auch der dritte Vers: „We are all you’ll ever need, for your business conference, for a family week-end, we’ve a show and so much else.“ Die einzig ehrliche Zeile indes ist ein kaum verhohlener Rat an gelangweilte Gäste, das Gebäude kurzerhand abzufackeln: „There’s so much to do on your stay, we‘re burning so bright.“ Kieloben treibt das keilförmige Schiff und brennt, flammende Gastlichkeit erhellt den nächtlichen Himmel über Berlin. So soll es sein. Und war doch ganz, ganz anders gemeint. Arno Frank