Untreue, Geldwäsche und/oder Bestechlichkeit

Was die Staatsanwaltschaft noch klären muss – was auf Kohl noch zukommen könnte

Berlin (taz) – Im Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl will sich die Staatsanwaltschaft zunächst auf den Vorwurf der Untreue konzentrieren. Es könnte jedoch sein, dass im weiteren Verfahrensablauf andere Delikte wie Bestechlichkeit und Geldwäsche in den Vordergrund rücken.

Von Untreue spricht das Strafgesetzbuch, wenn der Täter ein „fremdes Vermögen“ betreuen muss und dabei dem eigentlichen Inhaber einen Vermögensschaden zufügt. Dabei stellt sich indes die Frage, ob der Parteichef Kohl überhaupt eine Vermögensbetreuungspflicht bezüglich des CDU-Parteivermögens hatte. Nach dem CDU-Statut ist schließlich nicht der Vorsitzende, sondern der Schatzmeister für die Finanzen zuständig.

Nicht sicher ist auch, ob es sich bei Kohls „separaten Kassen“ überhaupt um CDU-Gelder handelte. Dies wäre zum Beispiel nicht der Fall, wenn die Spender gar nicht die CDU, sondern Helmut Kohl als Privatpolitiker unterstützen wollten. Da die großzügigen Geber jedoch nicht bekannt sind, kann über deren Intention im Moment nur spekuliert werden. Kohl selbst ist nach seinen bisherigen Erklärungen allerdings davon ausgegangen, dass das Geld der CDU gehörte, und hat es auch nur an CDU-Gliederungen weitergeleitet.

Ein Vermögensschaden der CDU dürfte auf jeden Fall vorliegen, worin er aber konkret besteht, ist noch umstritten. Drei mögliche Erklärungen stehen zur Wahl und können auch nebeneinander zum Einsatz kommen. So führt das Verschweigen der Spenden im Rechenschaftsbericht laut Parteiengesetz zu Rückzahlungsverpflichtungen in Höhe der doppelten Spendensumme. Unter Umständen sind der CDU auch staatliche Zuschüsse entgangen, da diese in Abhängigkeit von der Höhe der (ausgewiesenen) Eigenmittel einer Partei vergeben werden. Schließlich könnte man einen Vermögensschaden auch darin sehen, dass die satzungsgemäßen Gremien der Partei keine Verfügung über Parteigelder erlangten, weil Kohl diese in seinen separaten Kassen hortete und nach eigenem Gutdünken ausgab.

Da Untreue nach fünf Jahren verjährt, kommen für die Strafverfolgung nur noch Taten in Betracht, die nach Ende 1994 ausgeführt wurden.

Wegen anderer Delikte wird bisher nicht gegen Kohl ermittelt. Dies könnte sich aber schnell ändern, wenn sich erste Spender offenbaren und über die Hintergründe der Zahlungen berichten. Das beharrliche Schweigen Kohls über die Namen der Spender nährt jedenfalls den Verdacht, dass hier noch weitere Straftaten bekannt werden könnten. Naheliegend ist dies im Hinblick auf eine mögliche Bestechlichkeit von Kohl oder anderen CDU-Politikern. Wenn Geldfluss und politische Entscheidungen allzu gut zusammen passen, dann dürfte in diese Richtung ebenfalls ermittelt werden. Auch hier gilt allerdings eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.

Sollten die Spenden aus schwarzen Kassen, also aus einer kriminellen „Vortat“ stammen – und hierzu zählt auch die Steuerhinterziehung –, dann läge ein Fall von Geldwäsche vor. Für eine Strafbarkeit genügt es schon, dass der Täter leichtfertig die kriminelle Herkunft des Geldes nicht erkennt. Christian Rath