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Kultureller Berater für die Staaten

Wer rübermachen will, ist bei „living in America“ an der richtigen Adresse

Soldaten sind Auswanderer. Manche Berufssoldaten jedenfalls. Viele Jahre haben sie im Dienste der Landesverteidigung gestanden, sind in halbwegs rüstigem Zustand pensioniert worden, und dann setzen sie sich ins Flugzeug und begegnen heldenhaft der amerikanischen Freundlichkeitsoffensive. Klienten für Klaus Heidemann – der Essener nimmt Leute an die Hand, die eines Tages „rübermachen“ wollen. „Living in America“: Der Name seiner kleinen Firma ist Programm.

Fast die Hälfte seines Lebens hat der 57-jährige Deutsch-Amerikaner in den USA und Kanada verbracht – der Bergbauingenieur half mit, Betriebe aufzubauen. „Dabei habe ich alle Ecken Nordamerikas kennen gelernt“, sagt er. Und: „Ich betrachte mich als kulturellen Moderator“ – Mittler zwischen europäischer und amerikanischer Lebensart. Dazu gehört eben auch, Neuankömmlinge aus der „Alten Welt“ vorzubereiten auf überschwengliche Begrüßungen im Supermarkt („How are you doing?“) und allgegenwärtiges Lächeln in „God’s Own Country“. Heidemann: „Mit dieser Freundlichkeit werden einige erst mal nicht fertig.“ Kein Wunder – oder hat man je in einer Kaserne den Satz gehört: „Es ist schön, Sie zu sehen“?

Aber es sind beileibe nicht nur Ex-Uniformierte, die seinen Rat suchen, sondern Selbstständige, Unternehmer und andere, die nicht mehr arbeiten wollen, können oder dürfen und ausreichend Bares haben. Die US-Einwanderungsbehörde plane – so Heidemann –, in einigen Jahren Neu-Amerikaner ins Land zu lassen, die zwar keine Green Card (Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis) haben, jedoch finanziell versorgt sind.

Heidemann selbst unterscheidet zwei Typen: erstens die Stattauswanderer – das sind die, welche im fremden Land schnuppern wollen, um die Vorzüge der geliebten Heimat schätzen zu lernen und zufrieden heimzukehren; zweitens die Probeauswanderer – diejenigen, die sich jenseits des Großen Teiches orientieren möchten, um später endgültig die Sachen zu packen und sich von Deutschland zu verabschieden. Eine Green Card kann man, by the way, in der Lotterie gewinnen (schwierig) oder sich durch eine Investition in die US-Wirtschaft verschaffen (teuer). Eine mühsame Alternative hat eine Sprecherin der US-Botschaft in Berlin parat: mit dem Touristenvisum für 90 Tage einreisen, zurück nach Deutschland fliegen und dann wieder für 90 Tage einreisen.

Eine nicht unwichtige Rolle spielt in den USA das Mobile Home – ein Eigenheim auf Zeit und auf Rädern. Die Vermittlung der rollenden Heimstätten erledigt Heidemann. Für sesshafte Naturen treibt er aber auch Appartements auf. Sein Ingenieursjob hat ihm etliche Kontakte gebracht, und bei 50 Bundesstaaten (plus Washington, D. C.) wär’s ein Wunder, ließe sich für den Auswanderungsinteressierten nichts Passendes finden.

„Mit 65 geh ich rüber“, kündigt Klaus Heidemann an – der Auswandererberater wandert aus. Eine „europäisierte Form der Mobile Homes“ schwebt ihm zur Vermarktung vor. Bereits während seiner Bergbaukarriere arbeitete er im Verkauf, „ich kann mit Leuten umgehen“. An seinem grundsätzlichen Ziel will er indes nichts ändern: Der Amerika-Infizierte will Menschen für „seinen“ Kontinent gewinnen. Einige, die ihn anrufen, haben eine recht konkrete Vorstellung, andere fühlen aufs Geratewohl vor – noch ohne Ahnung von den Läden, die 24 Stunden geöffnet sind, und dem Sheriff, der in den Südstaaten schon ein bisschen mehr zu melden hat als der Streifenpolizist in Dortmund-Hörde. Hauptsache, sie bringen Bereitschaft mit, sich dem Neuen zu öffnen – und machen es besser als jene Kollegen Heidemanns, die amerikanischen Bergbaumaschinen die Existenzberechtigung absprechen in Verkennung der Tatsache, dass die Kohle dort eben anders im Boden liegt als im Ruhrgebiet. Andreas Milk

Info: Klaus Heidemann, Am Bilstein 66, 45219 Essen, Tel./Fax (02 05 49) 72 42;

Zum Thema Einreise/Einwanderung und Green Card informiert die US-Botschaft im Internet in deutscher Sprache: www.usembassy.de

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