Endlich wieder mit Band

■ Das Hamburger Kabarett-Duo Herrchens Frauchen präsentiert sein neues Programm „Vorläufiges Endergebnis“ im Schmidt – ein Gespräch

Seit 15 Jahren machen sie politisches Kabarett mit musikalischem Einschlag. Und Lisa Politt und Gunter Schmidt alias Herrchens Frauchen sind immer noch Hamburgs Protagonisten auf diesem Terrain. Für ihr neues Programm Vorläufiges Endergebnis haben sie mit Jo Jacobs (MäGäDäM) und Ralf Schwarz (Stefan Gwildis & the Drückerkolonne) zwei Musiker engagiert, um auf der Bühne auch als Band gut zu funktionieren. Das Spektrum reicht von Ska über Schweinerock bis zur Ballade, vom komischen Protestsong bis zum echt sentimentalen Liebeslied. Die taz hamburg sprach mit Lisa Politt über Kabarett nach Kohl, Zensur beim Staatsfernsehen und seltsame sexuelle Fantasien.

taz hamburg: Vorläufiges Endergebnis klingt ja schon recht amtlich, aber noch nicht ganz.

Lisa Politt: Ganz genau.

Ihr habt doch wohl nicht etwa vor, demnächst aufzuhören?

Nein, damit hat das überhaupt nichts zu tun. Sondern vielmehr damit, dass wir uns beide in der Lebensmitte befinden. Ganz amtlich ist es noch nicht, aber ich denke, die groben Züge stehen fest, und wir stehen nicht am falschen Bahnsteig. Wenn man über 40 ist, hat es sich einigermaßen zurechtgeschüttelt, was für einen Weg man so im Leben hat. Und hinzu kommt eben die Möglichkeit der Assoziation des politischen Begriffs „Vorläufiges Endergebnis“, die Prognose nach Schließung der Wahllokale.

Ihr blickt auf nunmehr 15 Jahre politisches Kabarett zurück. Was habt Ihr vorzuweisen, außer dass hartnäckiges Sticheln eurerseits endlich zur Ablösung Helmut Kohls durch Gerhard Schröder geführt hat?

Dafür möchte ich bitte nicht verantwortlich gemacht werden.

Nein?

Andererseits: Das wäre ja immerhin schon mal was. Wenn es denn unser Ziel gewesen wäre. Aber im Ernst: Meine Einschätzung von Kabarett und dem, was es bewirken kann, hat sich im Laufe der Jahre stark gewandelt. Angetreten bin ich mit wirklich hohen Idealen und dachte, man müsste den Leuten irgendwelche Neuigkeiten unterbreiten. Aber ich habe dann sehr schnell eingesehen, dass man eigentlich nur neue Aspekte beleuchten kann, also für altbekannte gesellschaftspolitische Zusammenhänge einen anderen emotionalen Zugang ermöglichen – indem sich das Publikum mit uns identifiziert. Mittlerweile denke ich – und ich weiß gar nicht, ob das optimistischer, pessimistischer oder keins von beiden ist –, dass es wieder darauf ankommt, Farbe zu bekennen und seinen Standpunkt deutlich zu machen. Vom Zynismus als Selbstzweck bin ich jedenfalls sehr abgekommen: Irgendwelche Tabus zu zerfetzen, ohne Sinn und Verstand und ohne dass man weiß, was an befreiendem Potential daraus erwachsen könnte, empfinde ich zunehmend als nur noch destruktiv.

In einem Eurer neuen Lieder dankt Ihr Eurem Publikum, dass es die SPD gewählt hat...

...weil alles beim Alten geblieben ist und wir uns keine neuen Themen suchen müssen: das Asylrecht, der Einsatz im Kosovo, die Geschichte mit dem Zwangsarbeiterfond. Das sind alles Sachen, die mich nicht daran glauben lassen, dass grundsätzlich Dinge besser geworden sind.

Hätte andererseits das Kabarett Kohl denn noch länger ertragen?

Ich glaube, viele Kabarettisten haben mit Kohl sehr gut gelebt. Was uns angeht, so haben wir uns tagespolitisch ja immer nur dann geäußert, wenn es in einem übergeordneten Kontext Sinn gemacht hat. Wir haben immer versucht, längerfristig wirksame Prinzipien zu durchleuchten. Wobei man bei 16 Jahren Kanzlerschaft von längerfristig ja durchaus reden kann.

Wie steht es mit dem Comedy-Boom im Fernsehen: Hilft er euch, oder schadet er eher?

Das kann ich überhaupt nicht beurteilen. Es ist durchaus möglich, dass die Leute – oder zumindest unser Publikum – von dem, was es im Fernsehen sieht, so angepisst ist, dass es lieber zu uns kommt. Es kann aber auch sein, dass Leute von uns Comedy erwarten und deswegen im falschen Sessel landen.

Wie haltet Ihr es selbst mit Fernsehauftritten?

Wir haben immer wieder erstaunliche Angebote, wo uns dann unterbreitet wird, wir sollten doch das und das machen, aber dafür müsste man das und das rausnehmen. Das ist uns was-weiß-ich-wie-oft passiert, und das haben wir nie gemacht.

Zum Beispiel?

Wir haben mal ein Lied gemacht über Karl Moik, da hatte das ZDF Interesse dran. Aber dann hieß es: nur wenn der Name nicht auftaucht. Weil Karl Moik ja von dem Sender gefeatured wird. Das ist wirklich so was von saudoof.

Mehr davon, bitte.

Ich hab' mal im NDR in einer Nachmittagssendung gesessen, da ging es um gutes Benehmen – aus unerfindlichen Gründen hatte man mich eingeladen –, und da habe ich denen erzählt, dass man sich zum Beispiel auch oft täuscht: dass ich mal zusammen mit Nowotny in einer Talkshow gewesen bin und anfangs dachte, der würde sich total schlecht benehmen – in Wirklichkeit war der aber nur sturzbesoffen. Und da kommt sofort die Sendeleiterin an und sagt, das ginge so nicht, mit Nowotny. Ich sage: „Wieso? Ich habe genug Zeugen: Der Mann war breit wie 'ne Natter.“ Sie sagt, das könne sie Kopf und Kragen kosten, und ich sage: „Kein Problem. Dann geh' ich jetzt ein Eis essen, aber ich mach's auf keinen Fall anders. Für mich ist das ein sehr treffliches Beispiel für schlechtes Benehmen.“ Hinterher hat sie's doch dringelassen und fand sich supermutig und ist auch nicht geflogen. Aber warum auch? Wenn man innerhalb des Fernsehens seine Protagonisten nicht mehr kritisieren darf, dann lässt das wirklich keine optimistischen Prognosen mehr zu, was dieses Medium anbelangt. Abgesehen davon, dass das, was ich gesagt habe, ein absoluter Hosenschiss war. Doch die Abstraktion davon fand ich unglaublich.

Was ist die Quintessenz eures neuen Programms?

Hier kommt ganz besonders zum Tragen, was mich eigentlich schon immer interessiert hat: die Verschränkung eines bestimmten biografischen Punktes mit der jeweiligen politischen Umwelt.

Wobei die musikalische Ausrichtung ja viel stärker ist als früher, durch die Mitwirkung von Jo Jacobs und Ralf Schwarz.

Ich wollte einfach schon ganz lange mal wieder mit Band singen. In meinem Heimatort Bomlitz war nur Beten und Kantorei, und aus blasphemischen Gründen war ich deswegen mit 15 in einer Band. Bis das aber richtig was werden konnte, hatte ich schon Abitur und musste nach Hamburg, wegen Studium und so und gleich ein Kind gekriegt. Dann hab' ich hier 'ne Band gesucht, aber keiner wollte mich haben.

Warum nicht?

Ach, große Nase, keine Titten – keine Ahnung. Was weiß ich denn? Vielleicht zu großes Maul, zu laute Stimme. Und dann hab' ich Gunter kennen gelernt, und wir haben beim Tuntenchor angefangen, Kabarett zu machen. Was ich aber sagen wollte: Wenn man von einer Band kommt, schreibt man Titel anders, und beim Kabarett saß ich immer ein bisschen zwischen den Stühlen, weil sich bestimmte Ideen mit Klavier alleine nicht verwirklichen ließen. Solche Sachen habe ich dann nebenbei produziert, und jetzt war der Sack auch einfach mal voll, so dass daraus ein Programm werden konnte.

Spielt da nicht auch so eine Art Pop-Star-Feeling mit hinein?

Nein, dazu bin ich zu alt. Und mit Frauen auf der Bühne ist es ja generell nicht so, dass da unten die Groupies warten. Man schreckt seine möglichen Sexualpartner eher ab. Es sei denn, man... (überlegt lange) macht was anderes als ich. Also, wenn Leute mich auf der Bühne sehen und damit etwas Erotisches verbinden, dann haben sie meistens ganz andere Fantasien als ich.

Interview: Ralf Poerschke

Premiere: Fr, 7. Januar, 20 Uhr, Schmidt