Warme Energie gegen kalte Welt

Kein Geld, kein Platz, aber egal: Die Tanztage im Pfefferberg kicken Berlin durch den Januar. Mit dem „Auftaktmix“ ging es los

Tanz macht warm. Das kann man zumindest beim Blick auf den Tanzkalender im winterkalten Januar hoffen: Jo Fabian im Theater am Halleschen Ufer, Alex B.s „lefthanded man“ im Tacheles, die erste Premiere von Sasha Waltz an der Schaubühne, neue Ballette an den Opernhäusern und der Tanzwinter im Hebbel-Theater. Allen voran im Warming-up für das neue Jahr marschieren die 8. Tanztage im Pfefferberg. Notorisch unterfinanziert und überfüllt wie immer, begannen sie am Dienstag mit einem „Auftaktmix“.

Wenn Jorge Morro tanzt, glaubt man oft, etwas ganz Persönliches von dem spanischen Tänzer zu bekommen. Selbst wenn er nur (wie einmal in den Sophiensaelen) müde die Bühne quert und hinter den Tanzenden wie ein erschöpfter Hausmeister vor dem Fernseher niedersinkt, denkt man noch, dass er jede Rolle wie eine Tagebuchseite für die Verarbeitung der eigenen Geschichte nutzt. Neuerdings lassen ihn die Choreografen gerne Drinks und Briefe im Publikum verteilen.

Für Morro und die Schauspielerin Eva Straka hat Norbert Servos das kurze Stück „Untitled Letter“ entwickelt. Es beginnt mit einer angstbesetzten Vater-Tochter-Beziehung, die sich irgendwann in harmlose Hirngespinste auflöst. Morro bricht in ihre Erinnerungen mit Störmanövern ein, provoziert, flirtet, legt den Kopf in ihren Schoß, wirft das Buch vom Tisch, rutscht vom Stuhl wie ein unartiges Kind. Man kann nicht behaupten, dass Servos, der als Choreograf und Tanzkritiker aktiv ist, nicht offen wäre für die Arbeit anderer. Die Schnipsel seiner „Untitled Letters“ bergen viele Déjà-vues.

Bewegung strukturiert Zeit. Wie weit der Mensch seinen eigenen Zeittakt bestimmen kann, beschäftigte die Choreografin Canan Erek in dem Solo „Time(Less)“, das von Firat Kilic getanzt wurde. Impulse jagen durch seinen Körper, die ihn wie der Fisch an der Angel zappeln lassen.

Extremer ließ Jonna Huttunen aus Finnland in einem Duo mit Heini Nukari Bilder des reglementierten und verkümmerten Körpers auf den Wunsch nach seiner Befreiung treffen. Begleitet von einer vibrierenden, klirrenden Geräuschkulisse, als ob die Welt irgendwo auseinanderbräche, krauchen Huttunen und Nukari geduckt über die Bühne: zwei halb vereiste, ihrer selbst nicht bewusste Körper, die sich in kurzen mechanischen Bewegungen wie Maschinenwesen aufführen. Der zweite Teil hält dem eine warme Energie entgegen, in der sich beide Tänzerinnen zuerst wie siamesische Zwillinge eine Kraft teilen und auch nach der Trennung den anderen nicht verlieren.

Der „Auftaktmix“ glich einem Studienabend zu klassischen Tanzthemen. So in Kostproben von Arbeitsweisen unterteilt ist der größte Teil des Programms, das bis zum 25. Januar 15 verschiedenen Produktionen Platz bietet: von neu in Berlin angekommenen Künstlern wie Elke Biermann aus Dresden oder Iwona Chwialkowska aus Warschau oder neu formierten Gruppen wie dem Malik Widu Tanztheater und dem Performance-Projekt Phase 7. Die private Schule Balance für zeitgenössischen Tanz, an der im Sommer 1999 der erste Jahrgang eine dreijährige Ausbildung abgeschlossen hat, stellt dabei zwei Workshop-Ergebnisse vor, die mit dem in Berlin bekannten Choreografen Joseph Tmim und mit Ashley Abrahams aus Kapstadt erarbeitet wurden. Die Teilnahme an den Tanztagen im Pfefferberg wird allmählich zu einem Initiationsritus in die Berliner Tanzszene.
Katrin Bettina Müller

Tanztage Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, bis 25. Januar. Nächstes Programm: Drei junge Choreografinnen, 7. und 8. Januar, 20.30 Uhr.