Menschenschmuggel im Schiffscontainer

Immer mehr Chinesen reisen als blinde Passagiere für horrende Summen auf Frachtschiffen über Hongkong nach Nordamerika. US-Behörde spricht von einem neuen Trend, Reederei fühlt sich machtlos ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – 25 chinesische illegale Einwanderer sind am Dienstag im westkanadischen Vancouver verhaftet worden. Sie hatten gerade als blinde Passagiere in zwei Containern an Bord des japanischen Frachtschiffes „California Jupiter“ den Pazifik überquert und wollten weiter nach Seattle reisen. Schon am Sonntag wurden zwölf Chinesen im Hafen von Seattle an der US-Westküste verhaftet, als sie aus einem Container an Bord des Hongkonger Frachters „Faith“ an Land gehen wollten. Am gleichen Tag wurden im kalifornischen Long Beach 18 Chinesen verhaftet, die in zwei Containern an Bord der „Zim Shekou“ eingetroffen waren. Und am Donnerstag zuvor gingen 30 Chinesen in Los Angeles und Long Beach den Behörden unter ähnlichen Umständen ins Netz.

Wurden in der Vergangenheit schon gelegentlich Schiffe mit bis zu hunderten Chinesen abgefangen, die illegal in die USA und nach Kanada einreisen wollten, so zeigen die jüngsten Fälle nach Ansicht der US-Einwanderungsbehörde INS einen neuer Trend: Die illegalen Einwanderer aus China kommen heute in Containern an Bord regulärer Frachtschiffe. Damit sind sie für die Küstenwache kaum noch ausfindig zu machen.

Die 13 mal zwei Meter 50 großen Container sind nach Behördenangaben zum Teil mit Doppelstockpritschen, Beleutung, Wassertanks, provisorischen Toiletten und Lebensmittelvorräten ausgestattet gewesen. Doch die bis zu dreiwöchige Reise von zum Teil über einem Dutzend Personen in einer verschlossenen, unbelüfteteten und nicht isolierten Blechkiste ist alles andere als komfortabel. So waren die in Long Beach gefundenen Container regelrecht vollgeschissen und vollgekotzt. In anderen Fällen waren die Container nur notdürftig in „Toilette“ und „Lebensraum“ unterteilt gewesen.

Ausgangspunkt dieser neuen Art des Menschenschmuggels ist meist Hongkong. Die frühere britische Kronkolonie und heutige chinesische Sonderverwaltungszone hat nicht nur den umschlagstärksten Hafen der Welt, sondern ist auch ein Operationsgebiet der Triaden, der chinesischen Mafia, die meist den Menschenschmuggel betreiben. Ausreisewillige werden von den Triaden nicht nur aus der Volksrepublik nach Hongkong gebracht, sondern gegen entsprechende Bezahlung weiter nach Nordamerika. Bis zu 60.000 US-Dollar soll der Platz in einem Container kosten und damit doppelt so viel wie ein Platz an Bord solcher Schiffe, die bisher Chinesen illegal nach Nordamerika brachten. Dort müssen die Reisekosten dann abgearbeitet werden, was oft nichts anderes als eine moderne Form der Sklaverei ist.

Pikant an zwei der jüngsten Fälle des Menschenschmuggels ist, dass darin Schiffe der Reederei „Orient Overseas Container Line“ (OOCL) verwickelt sind. Denn OOCL gehört der Familie von Hongkongs Regierungschef Tung Che-hwa, der bis zur Übernahme seines Regierungsamtes am 1. Juli 1997 selbst die Reederei leitete, die heute sein Bruder führt. Tung wollte sich zu den Vorfällen nicht äußern, Reedereisprecherin Elin Wong wies jede Verantwortung zurück. Die Container würden von den Kunden gemietet und selbstständig beladen und versiegelt. „Wir erhalten nur die Papiere, aus denen die deklarierte Ladung hervorgeht, und haben kein Recht, den wahren Inhalt zu überprüfen“, so Wong. Bei zum Teil über tausend Containern pro Schiff können auch Hongkongs Behörden nur in Verdachtsfällen Stichproben machen. Die Reeder müssen jedoch die Kosten des Rücktransportes tragen, wenn, wie in den jüngsten Fällen, blinde Passagiere bei der Einreise geschnappt werden.