Das Buch Saddam
: Ohne Blut und Erbrechen

Schleifer Felix Magath lässt es schleifen beim Trainingsauftakt der Eintracht

Frankfurt/M. (taz) – „Körperlich werden sie im Sommer fit sein. Ob sie dann noch in der Bundesliga sind, ist die andere Frage“, feixt einer der Kiebitze am Riederwald. „Kommt raus, ihr Feiglinge!“, schallt es aus der neugierigen Menge. Hunderte von Schaulustigen umlagern das Trainingsgelände der Frankfurter Eintracht, die Spieler tröpfeln mit unsicherem Gesichtsausdruck aus der Kabine – was wird sie erwarten?

Er. Er ist gekommen. Ein Mythos eilt ihm voraus, der die Mutigsten vor Angst erschaudern lässt. Der Schleifer, der Unbarmherzige, Saddam, der härteste Hund der Trainergilde. Felix Magath ist als Eintracht-Coach zurück in der Liga.

Qualität sei von Qual abgeleitet, soll sein Motto sein, und auch in Frankfurt hat er bereits seinem Image Nachdruck verliehen: „Der Wald am Riederwald sieht ganz gut aus. Mit der Laufstrecke kann man schon was anfangen. Allerdings ist sie ein bisschen flach, deshalb müssen wir uns im Vordertaunus noch eine Strecke mit Steigungen suchen.“ Die Jogginghausstrecke erscheint ihm für die körperliche Ertüchtigung also nicht adäquat.

Magaths gesamte Lebensäußerungen beim beinahe schon abgeschlagenen Tabellenvorletzten funktionieren vor der Folie des Schleiferimages. „Bei Magath gibt es nur einmal Training am Tag, durchgehend“, unkt ein Beobachter vom Boulevard einigermaßen originell.

Beim ersten Mal lässt es der Schleifer jedoch überraschenderweise noch schleifen – ob er sein Negativimage korrigieren will? Der gemütlich anmutende Kaffeestunden-Termin am späteren Nachmittag wurde bewusst gewählt, hoffnungsvoll applaudiert die Menge dem Neuen zum Empfang, nach ein paar lockeren Runden zum Einlaufen noch ein Trainingsspielchen, und dann geht es schon wieder zum Duschen – und das bestimmt auch noch warm.

Vorher war ein vertreterähnlicher Herr mit Aktenkoffer gesichtet worden – Spötter glauben, dass es sich dabei um den Außendienstmitarbeiter eines Kotztütenherstellers gehandelt haben soll. Immerhin wird Magath nachgesagt, dass er bei einer seiner ersten Trainerstationen in Bremerhaven Spieler solange laufen ließ, bis sich die ersten übergeben mussten. Auch die Vermutung, bei einem das Trainingsgelände überkreisenden Helikopter handele es sich um eine Delegation von amnesty international oder der Spielergewerkschaft, die die Einhaltung der Menschenrechte unter Magath kontrollieren wolle, blieb letztlich Spekulation. Sicher ist: Die Sohlenstärke der Laufschuhe wurde nicht verstärkt. Bei seinem Einstand in Nürnberg war Magath mit seiner neuen Mannschaft für Stunden im Wald verschwunden – den verärgerten Journalisten blieb nur zu vermelden, dass der Frühlauf bis Redaktionsschluss noch nicht beendet gewesen sei.

In Nürnberg legte er genau wie bei seinen beiden anderen Bundesliga-Trainerstationen in Hamburg und Bremen erfolgreiche Arbeit hin. Auch dort passte er bereits nicht so richtig in die dumpfe „Ordnung, Arbeit Disziplin“- und „Haudrauf“-Schublade, die gerne für ihn bereit gehalten wird. Der einst filigrane Mittelfeldregisseur und passionierte Schachspieler hatte immer auch schon seine intellektualisierten, hoch kulturellen Facetten.

Ruhig und souverän wirkt er und lässt sich nicht aus der Reserve locken. Schleifer? Der Stratege Felix Magath spielt das Spielchen zunächst mit, merklich mit Genuss. „Wir legen in den nächsten Tagen unser Hauptaugenmerk auf die konditionelle Verfassung und werden daher weniger mit dem Ball arbeiten“, kündigt er ein ziemlich durchschnittliches Vorbereitungsprogramm an. Gleich aber wird es übersetzt: Aha, also doch, er will die Mannschaft laufen lassen, bis Blut kommt. „Die ein oder andere Einheit werden wir im Fitnessstudio absolvieren“, erzählt er wenig Spektakuläres. Die Interpretation lautet: Magath wird die Spieler in Folterkammern bis zum Äußersten quälen. ZDF-Sportmoderatoren sublimieren ihre Männerfantasien mangels Bierausschank mit der Frage, was denn nun dran sei mit dem Trainingsbeginn um 7 Uhr 30. „Das kann sein, da sind wir flexibel, wir sind Vollprofis“, grinst sich Saddam Felix eins.

Wild fantasieren die Reporter auch über nackte Fußballerbeine im Januar. „Ach, sie glauben, dass ich das angeordnet hätte“, kapiert Magath erst spät, dass ihm die kurzen Hosen seiner Schützlinge längst als fieser Sadismus angedichtet worden sind. Die Deutungen seiner Trikot-Nummer 100 spielen in Richtung des hohen Trainerverschleißes bei Eintracht Frankfurt. Die Idee, Magath könnte seinen Spielern auf diese Weise signalisieren wollen, „erst nach 100 Runden im Lauftraining seht ihr wieder einen Ball“, ist eigentlich naheliegender. Klaus Teichmann