Wundmale in den Kellern des Ichs

■ Horn Gottes: Die norwegischen Todes-Metaller „Satyricon“ in der Markthalle

Wie soll man es mit einem Mann halten, der sich allen Ernstes Satyr rufen lässt? Natürlich ähnelt die Gestalt mit dem antiken Pseudonym keineswegs jenem Halbgott, der behuft und behörnt kopfüber in in jeder Körperöffnung eine Orgie stattfinden lässt. Nein, unser Satyr stammt aus Norwegen, ist 24 Jahre alt und wahrscheinlich der produktivste, passionierteste vor allem aber professionellste Black Metal-Mann der Welt.

Als sich vor einigen Jahren wichtige Teile der einst so zerstörerisch gebärdenden Death Metal-Größen ein sozial verträglicheres und jugendfreies Stigma auf ihre Leiber schrieben, kapselte sich eine Handvoll norwegischer Jugendlicher ab, um den vielleicht letzten großen Aufstand gegen das erlahmende Mutterschiff „Metal“ zu proben. Bands wie Mayhem, Darthorne oder Emporer waren es, die dem Bösen seinen guten Namen zurückgaben, indem sie dem Lachen den Krieg erklärten und auch Tod meinten, wenn sie Tod sagten. Und Satyr tobte mittendrin.

Der Jungspund war zwar geistiger Gottesfeind, aber dennoch nie dabei, wenn es ums Eingemachte ging: weder als andere über 40 alte Kirchen in Brand setzten, noch daran beteiligt, als der irre Burzum-Betreiber und Nationalfaschist Varg Vikernes seinen Erzrivalen Euronymus erstach. Auf ihrem Debüt Dark Medieval Times von 1994 kredenzten Satyr und sein Mitmusiker Frost noch die genreübliche Mixtur aus Mittelaltermanie und Kinder-Okkultismus.

Spannend wurde es erst auf den Alben The Shadowthrone und der Split-CD mit den isländisch kreischenden Viking Metalllern von Enslaveed, auf denen Satyricon erstmalig ihre antichristliche Haltung durch Wikinger-Ideale ergänzten. Natur ist king!, und am schönsten ist es immer noch innerhalb der eigenen Landesgrenzen, dachte sich der Satyr dann und kampierte gemeinsam mit Freund Fenriz von Darkthrone mehrere Wochen in den Wäldern und Fjorden der norwegischen Küstenregion.

Wieder daheim nannten sich die beiden ein paar Songs lang Storm und paarten in ihren Songs die Grimmigkeit des Black Metal mit viel Bier und kräftig schunkelnden Folk-Songs. „Norse“, so hieß das Losungswort für eine „richtige“ Black Metal Band aus Norwegen. „Norse“ auch der Klang: Kalt, dünn, kreischend und möglichst ohne Bass. So wie das Eis, die tiefen Wälder und die Ewigkeit im Allgemein. Und mit der hatten Satyricon es ganz besonders. Mit ihrem dritten Album „Nemesis Devina“ stahl Satyr selbst der biblischen Apokalypse die Schau, indem eer sich zum Sieger über die Zeit danach stilisierte.

Auf ihrem aktuellen Werk Rebel Extravaganza dagegen verorten Satyricon das Grauen in den Keller des Ichs: Äußerlich nicht mehr die klassische Warpaint-Truppe mit Hallebarde und Morgenstern, gebiert sich der Satyr nun als kahlköpfiger und wundmalgeplagter Schmerzensmann deiner Seele. Vielleicht der letzte seiner bösen Art. Oliver Rohlf

Satyricon/Behemoth/Hecate/Enthroned, Sonntag, 21 Uhr, Markthalle