Werden Bewohner wieder zu Besetzern?

■ Räumungsaufforderung des Finanzsenators: Bis zum 29. Februar sollen die Öko-Dörfler ihr Gelände in Lesum verlassen / Vereinsvorsitzender Klaus Möhle: „Wir werden nicht räumen“

Geht es den Bewohnern des Lesumer Ökodorfes jetzt an den Kragen? Gerade trudelte ein Brief bei den Lehmhaus- und Bauwagen-Bewohnern ein: Spätestens bis Dienstag, den 29. Februar, soll das Gelände geräumt werden, auf dem derzeit zwei Dutzend ökologisch orientierte Menschen wohnen. In einer Woche sollen die Öko-Dörf-ler sagen, ob sie freiwillig gehen oder auf Krawall gehen. Verantwortlich für den Räumungsbescheid: Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU).

„Wir sind ganz schön entsetzt“, sagt Weidedamm-Bewohner und Partei-Sprecher der Grünen, Klaus Möhle. Zwar ist seit letztem Herbst bekannt, dass Perschau die Ökodörfler von dem Platz vertreiben will, der vor fünf Jahren als Ersatzfläche für die geräumte Weidedamm-Siedlung von der Stadt zur Verfügung gestellt wurde. Dass jetzt aber vom zuständigen Finanzsenator so schnell Fakten geschaffen werden sollen, überrascht dennoch alle Beteiligten.

Bausenatorin Tine Wischer (SPD) hat längst angekündigt, gegen eine Pachtverlängerung nichts zu haben. Auch SPD-Fraktionschef Böhrnsen stellt sich auf die Seite der Öko-Siedler: Die neuerliche Fristsetzung sei eine „nicht hinzunehmende Handlung“ und „absolut nicht akzeptabel“, sagte er gestern der taz. Die Vertreibung sei ein „Affront“ des zuständigen Stadtteil-Beirats, der sich mehrheitlich für den Verbleib der Öko-Dörfler ausgesprochen hatte. Zudem sei die Räumung überflüssig, solange es keine anderen Pläne für die betroffene Fläche gibt. Ein Schreiben an Perschau in der Sache sei „nie beantwortet“ worden.

Die Öko-Dörfler berufen sich zudem darauf, dass der benachbarte Golfplatzbetreiber eine Pachtverlängerung bis zum Jahr 2006 bekommen hat; beide Gelände werden von der „Bremischen“ im Auftrag des Finanzsenators verwaltet. Perschau habe zudem in einem Gespräch mit Möhle eine Pachtverlängerung um fünf Jahre zugesagt – der SPD-Abgeordnete Carlo Schreiber soll das Gespräch mitangehört haben. Die Anwälte der Bremischen allerdings schreiben in ihrer Räumungsaufforderung, dass weder „seitens der Stadtgemeinde noch von dritter Seite Erklärungen abgegeben worden (sind), aus denen sich ein Anspruch auf Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ableiten ließe.“ Tatsächlich war es zu Verhandlungen zwischen Ökodörf-lern und Finanzsenator gekommen. Der Finanzsenator bot eine Einjahresfrist bis zur Räumung an, die Siedler lehnten ab.

„Die Verlängerung um ein Jahr wurde abgelehnt, also muss der Finanzsenator jetzt den Rechtsweg beschreiten“, sagt die persönliche Perschau-Referentin, Susanne Möller. Ein unbefristeter Vertrag sei den Ökosiedlern nie in Aussicht gestellt worden. Zudem habe es zu keinem Zeitpunkt eine verbindliche Zusage an Möhle gegeben, dass der Vertrag verlängert wird. „Daran halten wir fest.“

Die Öko-Dörfler wollen den Platz auf keinen Fall zum 29. Februar verlassen. „Wir wollen uns nicht zu Besetzern des Gebietes machen lassen, aber ich fürchte, darauf läuft es hinaus“, sagt Möhle. Viel lieber wolle man friedlich das in Kleinstarbeit aufgebaute Dorf plus Vertrauensverhältnis zu den bürgerlicheren Nachbarn pflegen. In der überraschenden Aufforderung sieht Möhle auch den Versuch, die Bewohner zu kriminalisieren.

Bei der Bremischen glaubt man nicht, dass das letzte Wort in der Sache schon gesprochen ist. Zwar hat man selbst die Rechtsanwälte beauftragt, die Räumungsaufforderung zu betreiben – allerdings nach Anweisung durch den Finanzsenator. „Ich gehe davon aus, dass wir jetzt verhandeln“, sagt die Sprecherin der Bremischen, Anne Lücking. cd