Hinterkopftreffer statt Korberfolg

Bei der 66:76-Niederlage gegen Benetton Treviso in der Basketball-Europaliga zeigt sich, dass die Welt von Alba Berlin etwas aus den Fugen geraten ist ■ Aus Berlin Matti Lieske

Es kommt nicht häufig vor, dass ein Trainer einem gegnerischen Spieler den Ball an den Kopf wirft. Und schon gar nicht, dass er sich mit einem eigenen Akteur eine minutenlange Schreierei liefert, bei dem ihm dieser ein rundes Dutzend Mal laut und deutlich bescheidet: „Fuck off!“. Svetislav Pesic, Basketball-Coach bei Alba Berlin, versuchte die Sache nach der 66:76-Niederlage seines Teams im Europaligamatch gegen Benetton Treviso herunter zu spielen. „Wer meine Emotionalität kennt“, sagte er, „weiß, dass ich so etwas nicht zum ersten Mal erlebe.“ In der Tat sind Temperamentsausbrüche des 50-Jährigen keine Seltenheit, doch der Ballwurf an den Hinterkopf des provokant-charmanten Riccardo Pittis – besser gezielt als die meisten Versuche seiner Spieler – und das heftige Wortgefecht mit dem eigenen Center Geert Hammink ließen ahnen, dass einiges aus den Fugen ist beim Deutschen Meister.

Die basketballerischen Werte des Svetislav Pesic – kontinuierlicher Aufbau einer Mannschaft, Identifikation der Spieler mit Verein und Stadt, Identifikation des Publikums mit dem Team – geraten zunehmend ins Wanken. Erstmals in der neunjährigen Alba-Geschichte wurde mit Frankie King ein Spieler mitten in der Saison wegen Disziplinlosigkeit entlassen, der in aller Hektik als Ersatz verpflichtete Terry Dehere ist bereits der fünfte Spielmacher in den letzten drei Jahren. Und die Zuschauer, in der vergangenen Saison trotz sieben Europaliga-Niederlagen in Folge sehr geduldig, pfiffen am Donnerstag gellend, obwohl sie um die aktuellen Probleme des Teams wussten.

Zu enttäuschend war die Darbietung gegen Treviso, nachdem die Mannschaft mit ihren überzeugenden Darbietungen bei den letzten Europaliga-Heimsiegen gegen Bursa und Real Madrid sowie dem überraschenden Auswärtssieg bei Panathinaikos Athen Hoffnungen auf eine gloriose Zukunft geweckt hatte. Nach dem Rückschlag gegen die Italiener bei gleichzeitigem Sieg Bursas gegen ZSKA Moskau ist der Kampf um den vierten Gruppenplatz und damit die Qualifikation für das Achtelfinale jedoch wieder völlig offen.

Für Pesic war die Niederlage leicht zu erklären: „Wir haben das Spiel unter dem Korb verloren.“ 17 Offensivrebounds der Gäste hatte er gezählt, „das war katastrophal für uns“. Ohne Rebounds keine Fastbreaks, ohne Fastbreaks keine einfachen Punkte, eine simple Rechnung. Besonders aufgebracht war der Coach darüber, dass dem ehemaligen deutschen Nationalcenter Tim Nees in der ersten Halbzeit binnen sechs Minuten zwölf Punkte für Treviso gelangen – Ausgangspunkt des Disputs mit Hammink, der just in dieser Zeit auf dem Feld stand.

Überfordert war Alba aber auch mit der Bewachung des großartigen Spielmachers Tyus Edney, der Bogojevic und Rödl müde lief und mit 16 Punkten, 7 Assists und 4 Rebounds glänzte. Terry Dehere, der zwar sechs NBA-Jahre bei den Los Angeles Clippers, Sacramento Kings und Vancouver Grizzlies auf dem Buckel hat, aber seit Monaten inaktiv war, konnte Frankie King weder in der Abwehr noch in der Offensive ersetzen. Deutlich übergewichtig, fehlte ihm jede Bindung zu den Kollegen, und er beschränkte sich in seinen knapp 14 Minuten Einsatzzeit meist darauf, brav den Ball weiter zu leiten. „Ich muss erst die Stärken der Spieler kennen lernen, bisher kenne ich nur die Rückennummern“, sagte der 28-Jährige, der am Ende sieben Punkte hatte.

„Er ist eine Option, die uns helfen kann“, äußerte sich Pesic vorsichtig über den konditionsarmen Neuzugang, einen Monat werde er aber benötigen, „um auf sein Niveau zu kommen“. Rechtzeitig für die Play-offs in der Bundesliga, ein wenig spät für die Europaliga. Da findet bereits am 17. Februar das letzte der ausstehenden fünf Zwischenrundenspiele statt, das Gastspiel beim FC Barcelona.

Weitere harte Proben für das Nervenkostüm von Svetislav Pesic sind also unvermeidlich, seinen Optimismus hat der Coach dennoch nicht verloren. „Wir haben heute nicht unser wahres Gesicht gezeigt“, sagte er nach dem Treviso-Match trotzig, „die sind auch nicht besser als wir.“ Eine Behauptung, der am 3. Februar beim Rückspiel Taten folgen sollten, damit es nicht auch in der Europaliga ganz schnell heißt: „Fuck off!