Schweizer Käse unter Druck aus Europa

Mit der Streichung von Subventionen und der Öffnung des Agrarmarkts für Importe wird der Käse zwar billiger, aber viele traditionellen Betriebe müssen den Betrieb aufgeben

Genf (taz) – In den Supermärkten in Genf wurde ein Kilo Schweizer Emmentaler während der letzten sechs Monate um rund anderthalb Franken (1,80 Mark) billiger, kostete aber immer noch 19 Franken. Wenige hundert Meter weiter, hinter der französischen Grenze, kostet der Käse mit der Packungsaufschrift „Emmentaler“ nur die Hälfte. Damit könnte bald Schluss sein, dann gibt es nur noch den billigen Käse. Dabei besteht der Unterschied nicht nur im Preis.

Der in Frankreich und anderen europäischen Ländern vertriebene Käse kommt fast ausschließlich aus industrieller Massenproduktion. Sein Rohstoff ist verarbeitete Milch. Hingegen stammt derSchweizer Emmentaler bisher noch ausschließlich aus einheimischer Produktion. Er wird in einer der derzeit noch rund 1.100 dörflichen Kleinkäsereien aus Rohmilch gefertigt, nach einem uralten, schwierigen und zeitaufwendigen Verfahren. Neben Emmentaler produzieren die Kleinkäsereien auch Sorten wie Gruygère, Appenzeller oder Sbrinz. Die traditionelle Herstellung und der darauf beruhende bessere Geschmack begründen den Erfolg, den Schweizer Käseprodukte trotz ihrer stolzen Preises in Exportmärkten bis hin nach Übersee haben. Das könnte sich bald entscheidend verändern.

Schon im Mai 1999 traten erste Gesetzesmaßnahmen zur Liberalisierung der Schweizer Landwirtschaft in Kraft. Wurden die Abnahme und der Vertrieb der einheimischen Käseproduktion bis dato noch vollständig durch die staatliche „Käseunion“ garantiert, unterliegen sie inzwischen den Regeln von Angebot und Nachfrage. Vor allem der Milchpreis, mit dessen Festlegung die Regierung in Bern in der Vergangenheit den Bauern ein Mindesteinkommen garantiert hatte, wurde liberalisiert. Mit den Milchpreisen fallen auch die Käsepreise und damit sinken die Einkommen der Hersteller. Zum Ausgleich ihrer Verluste müssten die eidgenössischen Käsereien deutlich mehr produzieren und absetzen als bislang.

Die Rechnung geht jedoch nicht auf. 28 der insgesamt 45 Käsereien, die Sbrinz herstellen, die Käsesorte mit dem kleinsten Marktanteil, mussten seit Inkrafttreten der neuen Gesetze vor acht Monaten bereits schließen. Vom Emmentaler, der bislang rund die Hälfte der Schweizer Käseproduktion ausmachte, werden sich nach Expertenprognosen bis Mai dieses Jahres auf dem teilliberalisierten Markt rund 42.000 Tonnen verkaufen lassen. Das ist deutlich weniger als die 50.000 Tonnen, die zwischen Mai 1998 und Mai 1999 noch unter staatlicher Abnahmegarantie hergestellt wurden.

In den nächsten drei Jahren droht nach Einschätzung von Experten die Schließung von einem Drittel bis zur Hälfte der 1.100 Kleinkäsereien. Denn ab 1. Juli dieses Jahres wird der Druck auf die Schweizer Käsereien noch zunehmen. Dann treten – die noch ausstehende Zustimmung des Volkes vorausgesetzt – die im letzten Herbst besiegelten bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Kraft. Sie sehen den vollständigen Abbau der verbliebenen Staatszuschüsse und aller Exportsubventionen an Schweizer Landwirtschaftsbetriebe bis Mitte 2005 vor. Zugleich sollen schrittweise sämtliche Restriktionen gegen Landwirtschaftsimporte aus den EU-Staaten abgebaut werden.

Dann wird der industriell gefertigte Emmentaler aus Frankreich zum Kilopreis von rund 11 Mark überall in der Schweiz zu kaufen sein, echter Emmentaler aus Rohmilch allerdings kaum mehr.

Andreas Zumach