Die Haustierwoche ■ Von Reinhard Krause

Montag. Bei Nachbar Peter treibt seit neuestem eine Maus ihr nächtliches Unwesen. Gesehen hat er sie nicht, aber sein brandneues Telefonkabel ist angenagt. Eine Maus im zweiten Stock, mitten in Hamburg! Netterweise gibt uns Peter zwei von seinen Mausefallen ab. Man weiß ja nie. Die Ritzen zwischen den Wänden und den Fußbodenleisten macht er mit Bauschaum dicht.

Donnerstag. Mein Freund entdeckt seltsame Brösel auf dem Küchenfußboden. Teekrümel? Mäusekot! Auch wir kaufen Bauschaum. Was aber, fragen wir uns zu spät, wenn die Maus nun keinen Ausgang ins Freie mehr findet und unter unseren Fußbodendielen vor sich hin gammelt?

Freitag. Neuer Mäusemist. Wo ist das Schlupfloch? Heute Nacht bleibt die Küchentür zu. Etwas unruhig geschlafen.

Sonnabend. Die morgendliche Kontrolle der Küche fällt negativ aus. Wo ist die Maus? Abends weiß ich es. Kaum liegen wir im Bett und das Licht ist aus, dringen Schab- und Knabbergeräusche aus dem Arbeitszimmer. Danach ist alles still. Ich starre in die Dunkelheit. Da sehe ich, keine zwei Armlängen entfernt, einen Schatten, der vorher nicht da war. Oder doch? Mein Herz pocht vor Horror. Der Schatten scheint zurückzustarren. Ich hebe den Kopf, der Schatten springt lautlos davon. Soll ich meinen Freund beunruhigen? Ich soll. Wir holen die Mausefallen aus der offenbar sicheren Küche, machen im Arbeitszimmer Licht und lassen die ganze Nacht leise Twistmusik laufen. Soll die Maus denken, wir machen heute durch. Wenig Schlaf.

Sonntag. Jetzt werden andere Saiten aufgezogen. Anruf bei Fotografin Andrea: „Kannst du uns für ein paar Tage Punky leihen?“ Punky ist der zivilisiertere der beiden Studiokater. Das Tier wird am Nachmittag samt Katzenklo angeliefert. Verhält sich hochanständig. Verkratzt keine Möbel, wirft nichts zu Boden, schreit nicht nach Futter. Mein Freund: Hoffentlich ist er der Maus gegenüber nicht auch so vornehm. Womöglich denkt er: Die gehört wohl zum Haushalt, der darf ich nichts antun, sonst ...

Abends Nerverei. Klar, kaum ist das Bett gemacht, liegt Punky schon drin und schnurrt. Hoffnungslos, ihn immer wieder in sein wolliges Katzenkistchen zu tragen. Also Licht aus. Keine zehn Sekunden später ist Punky in der Küche. Nanu?! Noch zehn Sekunden später springt er beherzt ins Altglas. Klirrendes Getös. Die Maus ist da! „Uuuuooooooaa!“ Punky, den ganzen Abend mucksmäuschenstill, produziert ungastliche Laute. Dann verstummt er. Gelähmt vor Panik, lauschen wir in die Stille. Nach endlosem Warten wieder ein Geräusch: ein Knacksen wie das Brechen feiner Hühnerrippen, irgendwie kross. Hurra, Punky, du bist der Größte! Nachdem die Knusperlaute verstummt sind, schickt mich mein Freund zum Nachgucken. Von der Maus keine Spur, kein Beinchen, kein Schwanz, nicht einmal Blutstropfen. Hat Punky sie en bloc verputzt? Wie aufmerksam!

Eine Stunde lang hält Punky in der Küche Wacht. Vielleicht kommt ja noch so ein toller Braten des Wegs? Dann trollt er sich doch ins Bett. Wir sind so stolz auf ihn. Aber muss er unbedingt direkt vor unseren Nasen mit heißem Atem sein Plätzchen suchen? Muss er so zufrieden pupen?