Ein Blick hinters Höllentor

■ „Sparkasse in concert“ präsentierte im Moments ein eindrucksvolles Konzert des indianischen Poeten John Trudell, der am Schluss sogar seine schwarze Sonnenbrille absetzte

„There are good days and bad days“. Sowas sagt einer, der vor zwanzig Jahren seine Frau und seine drei Kinder durch einen Brand verloren hat, der mutmaßlich auf das Konto US-amerikanischer Rassisten geht. Einer, dem seine indianische Abstammung und das Engagement in der militanten Bewegung American Indian Movement (A.I.M.) eine 17.000-seitige Akte beim FBI eingetragen hat. Einer schließlich, der weiß, worüber er redet, wenn er als ein Überlebender vom Vernichtungskrieg einiger US-Behörden gegen die Native Americans spricht.

Von „good days and bad days“ also erzählte John Trudell im voll besetzten Moments, vom 3. Weltkrieg der „ruling class“ gegen die Armen, von Technikfetischismus, Naturvergessenheit, vom Elend in den Indianerreservaten und jenem endlosen Fest, das Leben heißt. Man muss es sich leisten können, dabei bedenkenlos „Mother Earth“ zu feiern, den „Great Spirit“ zu beschwören und „Only Love“ zum Allheilmittel für die geschundenen Menschenseelen zu erklären. Aus Trudells schmalem Mund kommend, vorgetragen in einem kühlen, variationsarmen Sprechgesang, haftete diesen Bildern nicht der Hauch von Kitsch an.

Berührend und nicht abgedroschen, eindringlich und nicht platt wirkten die sehr reduzierten Geschichten und fragmentarischen Gedichte, die Trudell beinahe regungslos und mit ruhiger Stimme vortrug.

Den Höhepunkt erreichte diese eigentümliche Mischung aus Dis-tanziertheit und Intimität gegen Ende des Konzerts. Rhythmisch gegliedert durch die wiederkehrende Klage über ihre schmerzliche Abwesenheit erzählte der 53-Jährige Sänger und Dichter John Trudell von jener schönen Frau, deren Lachen er in der Seele, deren Erinnerung er im Herzen trug und mit der er gemeinsam das Morgen hatte bestreiten wollen.

Nur kurz war sie da; sie, die nun fehlt, wo auch immer er ist. Ein ganzes, ein tragisches Leben, in wenige, knappe Sätze gefasst, die einschlugen irgendwo da, wo das Herz wie wild schlägt.

Begleitet wurde der Dichter und Songwriter aus Nebraska von seiner Band „Bad Dog“. Beschränkte sich das Quartett vor der Pause noch ausschließlich darauf, zu John Trudells Texten einen möglichst unaufdringlichen, aus Blues, Reggae- und Rockelementen gewobenen musikalischen Background zu liefern, setzten sie im zweiten Set auch eigene Akzente.

Neben Quiltman, der mit seinem traditionellen indianischen Gesang immer wieder eine spannungsvolle Beziehung zu Trudells Spoken-Word-Lyrics einging, profilierte sich vor allem der Leadgitarrist Mark Shark mit einigen Soli als routinierter, einfühlsamer Bluesmusiker. Doch nie stand bei diesem Konzert in Frage: Alle Aufmerksamkeit der ZuhörerInnen hatte jenem schmächtigen, seine Augen hinter einer schwarzen Sonnenbrille verbergenden, schüchternen kleinen Mann zu gelten, der, wie er einmal in einem Interview sagte, in seinem Leben bis zur letzten Tür der Hölle gekommen sei, sie geöffnet und dabei gesehen habe, was dahinter liegt.

Immerhin: Zur Zugabe kam John Trudell ohne die dunkle Sonnenbrille zurück auf die Bühne. Und blinzelte freundlich ins Publikum, am Ende eines eindrucksvollen Konzerts. Auch am Ende eines good day? Vielleicht. zott