Französische Regierung gibt schnell nach

Erfolg der Spediteure verärgert Lkw-Fahrer. Branche bleibt wild

Paris (taz) – Zwei Tage Arbeitgeberstreik waren genug, um den „Genossen Verkehrsminister“ in Paris zum Einknicken zu bewegen. Gestern Morgen bewilligte der Kommunist Jean-Claude Gayssot den Fuhrunternehmern eine Ausnahme von der 35-Stunden-Woche und großzügige Subventionen zu den Dieselpreisen. Auch künftig dürfen die Fuhrunternehmer ihre Fahrer bis zu 50 Wochenstunden arbeiten lassen.

Kaum war das Angebot bekannt, begannen die an 70 französischen Grenzstellen ineinander verkeilten Lkws, die seit Montag den Gütertransport von und nach Frankreich blockierten, auseinander zu rangieren. Am Mittag waren fast alle französischen Grenzen wieder durchlässig.

René Petit, einer der Sprecher der streikenden Fuhrunternehmer, zeigte sich erleichtert. „Die französische Lkw-Flotte war in Gefahr“, sagte Petit gestern, „wenn wir als einziges europäisches Land die 35-Stunden-Woche für den Güterverkehr auf der Straße eingeführt hätten, wären wir schnell aus dem europäischen Wettbewerb geflogen. Dann wären bald nur noch ausländische Lkws über die französischen Straßen gefahren – ohne die französischen Sicherheitsstandards und ohne die französischen Sozialleistungen.“

Reichlich verblüfft über den konzilianten Ton des Verkehrsministers – früher Eisenbahner und selbst Gewerkschafter – gegenüber ihren Arbeitgebern waren hingegen die Gewerkschaften der französischen Lkw-Fahrer. In den vergangenen Jahren haben sie mehrfach tagelange Straßenblockaden organisiert, um ihre im deutschen Vergleich entschieden niedrigeren Löhne aufzubessern. Eine so tatkräftige Unterstützung aus der Regierung bekamen sie dabei nicht. „Genosse Gayssot“, so der wutschnaubende Chef der Lkw-Fahrer-Gewerkschaft in der Force Ouvrière (FO), Roger Poletti, „hat uns seit 1997 noch kein Hindernis aus dem Weg geräumt.“

Vorsorglich lud Verkehrsminister Gayssot gestern abend Vertreter aller vier Lkw-Fahrer-Gewerkschaften zu einem Gespräch. Die Gewerkschaften haben den Arbeitgeberstreik als „Suche nach weiteren Subventionen“ und „reine Provokation“ empfunden. Als Reaktion haben sie ihrerseits zum 31. Januar zu einem „Aktionstag“ aufgerufen, mit dem sie ihre Bedingungen für die 35-Stunden-Woche durchsetzen wollen. Unter anderem verlangen sie eine Überstundenentschädigung ab der 36. Arbeitsstunde und eine strengere Kontrolle der Arbeitszeiten „auf dem Bock“.

Tatsächlich ist der Güterverkehr zur Straße ein europäisches Problem. Bislang hat die EU aber lediglich die „Fahrzeiten“ und die „Ruhezeiten“ reglementiert. Sie hat nie definiert, wie lange die Arbeitszeit eines Lkw-Fahrers sein darf und was überhaupt dazu gehört. Ob beispielsweise auch die Be- und Entladezeiten Arbeitszeiten sind und wie die auswärtigen Übernachtungen von internationalen Fernfahrern zu bewerten sind.

Vorerst bleibt das Fuhrgeschäft in der EU also eine Branche in der Wildwestregeln gelten. Und wo – ohne dass die deutschen Gewerkschaften dagegen protestieren – die Spediteure Rumänen, Polen und Russen zu Billigtarifen beschäftigen können, die nur einen Bruchteil des deutschen Lohns bekommen. Dorothea Hahn